Europas einzigartige Vielschichtigkeit

Tempranillo, Samstag, 22.09.2018, 15:55 (vor 2042 Tagen) @ Tempranillo2963 Views
bearbeitet von unbekannt, Samstag, 22.09.2018, 16:42

Um die BRD zu verstehen, sollte man folgende Grundregel beherzigen:
DIE SCH... KOMMT IMMER AUS DEN USA!

Aus Europa kommt neben  wissenschaftlichen Höchstleistungen in der Regel kulturelle Substanz, die derart gehaltvoll ist, daß es Jahre, vielleicht Jahrzehnte braucht, um ihre Tiefe auszuloten.

Man wird sie so gut wie überall finden, bei Shakespeare, Montaigne, Molière, Goethe, Schiller, Dostojewski , Céline, Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Strauss, Berg oder einem Stück, in dem man latent den  italienischen Hang zu Zirkus und Volksfest spüren kann wie in Fellinis La Strada, und das in allen Teilen nach Theater riecht: Verdis Rigoletto

Selbst das gassenhauerhafte La donna è mobile läßt, wenn man nur endlich den Text liest und die transatlantische Gehirwäsche  beiseiteschiebt, Europas einzigartige Mehrdimensionalität erkennen wie ein großer Wein an seiner Differenziertheit; im Idelfall der Verbindung aus Kraft, Opulenz, Struktur und Raffinesse.

Bevor der als Kavallerieoffizier verkleidete und somit seinen sozialen Status auf's fast schon Proletenhafte reduzierende Herzog von Mantua zu seinem Opernschlager ansetzt, bestellt er beim Messerstecher und Bordellbetreiber Sparafucile zwei Dinge, aber dalli, *Deine Schwester und Wein* (tua sorella e del vino).

Die Schwester wurde von der, verglichen mit unseren Zeiten rührend milden habsburgischen Zensur gestrichen und durch *ein Zimmer und Wein* (una stanza e del vino) ersetzt.

Hört und sieht man diese bis zum Überdruß ausgelatschte Nummer mit dem ursprünglichen Text, wirkt sie mit einnemmal nicht nur, wenn auch genial gassenhauerhaft, man merkt sofort, der  sich hier über Falschheit und Launenhaftigkeit der Weiber beklagt, stimmt sich auf die bevorstehende Schnackslerei ein und sagt sich *wenn die Weiber eh so sind, wie sie sind, kann ich mir auch eine kaufen*.

Das nächste wäre, daß die misogynen Aussagen grosso Modo nicht falsch sind, aber wie so oft gibt es Ausnahmen, die wir unmittelbar und den Herzog widerlegend im nachfolgenden Quartett vorgeführt bekommen, wenn sich Gilda erstechen läßt, um ihrem geliebten Herzog das Leben zu retten.

https://www.youtube.com/watch?v=c3kZ621U9Fw

Text und Noten zum Mitlesen; auch die Regieanweisungen wären sehr zu beachten, wo genau die Szene  spielt, und daß man den fauligen Geruch des Mincio im Orchestervorspiel hören kann, bevor es mit La donna  è mobile hell und grell wird:

http://www.dlib.indiana.edu/variations/scores/bhr8278/large/index.html

Wir sehen und erleben, wie sich die von Victor Hugo nach dem Vorbild Franz I.  erfundene Figur auf eine Ebene mit Nutten aus der Gosse begibt und sie mit der gleichen Höflichkeit behandelt wie seine Hofdamen, etwa die Gräfin Ceprano, was man ohne weiteres als Ausdruck tiefer Verachtung  betrachten könnte: *Für mich sind sie alle gleich, egal, wie sie daherkommen, wo ich sie treffe, ob auf aristokratischen Festen oder einer Rotlicht-Kaschemme.*

In den Produktionen Hollywoods sehen wir dergleichen völlig anders. Vertreter der gesellschaftlichen Oberschicht, die mit  Schlechtergestellten zu tun haben, lassen sich immer ihren sozialen Status heraushängen wie den Pimmel aus dem Hosenlatz.

Die Zigarre im Maul und den eisgekühlten Schampus auf dem Tisch ziehen sie einen Hundert-Dollarschein aus der Hosentasche, nicht etwa dem Portemonnaie, stecken ihn  der Begleiterin in den Ausschnitt und sagen gönnerhaft: 

*Der gehört Dir, Baby, weil Du mir Gesellschaft leistest.,*

Kurze Pause.

Er greift wieder in die Hosentasche, direkt neben Pimmel und Brunftkugeln, holt noch einmal Geldscheine heraus, hält sie der Tussi unter die Nase und rülpst: *Die gehören Dir, wenn Du es mir besser besorgst als Monica Lewinsky.*

So läuft das in Modo americano e democratico, wo es nur dann richtig schön ist, wenn jemand erniedrigt wird.

Wieder zurück zu Rigoletto und dem alten Europa.

Der Herzog beim Aufriß, wie er  unter falschem Namen, als armer Student Gilda rumzukriegen versucht, nicht mit dollarscheinwedelnder Angeberei, dem Herauskehren des gesellschaftlichen Status', es läuft mittels Affektübertragung.

https://www.youtube.com/watch?v=NYjANErVM_c

Die Sopranistin bitte ich, mit Nachsicht zu betrachten und sattdessen den Tenor zu bewundern, der  bei diesem höllisch schweren Abschnitt drei Zentimeter über dem Boden  zu schweben scheint.     

Im alten Europa, dem Venedig von 1851, war es noch möglich, ein Stück aufzuführen, in dem eine wenig sympathisch auftretende Person als Jude beschimpft wird, Marrano, die vorschlägt, jemanden köpfen zu lassen, dessen Frau der Herzog flachlegen möchte.  

Glaubt Ihr nicht?

Bitte hier lang, erster Akt erste Szene, 6:50

https://www.youtube.com/watch?v=CnJcp-CEcmI&list=PLC2D2761458F14C73

Die misogyne Ballata *Questa o quella* (1:04) mitzunehmen, würde auch nicht schaden, zumal Luciano  Pavarotti in dieser  Vorstellung eine Jahrhundertleistung hingelegt hat  und in jedem Takt war, was die Rolle verlangt, ein König oder Herzog.

This girl or that girl are just
the same to me,
to all the others around me
I won't give away my heart
to this beauty nor to the others.
Their charm is a gift
Given by destiny to embellish their lives
If today I love this one
I'll probably love someone else tomorrow.
We hate constancy, the heart's tyrant,
as if it were a cruel plague,
Let those who wish to be faithful
keep their fidelity alive;
There is no love without freedom.
The rage of jealous husbands
and lovers' woes I despise,
I can defy Argo's hundred eyes
If I fancy a beautiful girl.

Gleich danach wird die Contessa Ceprano mit Komplimenten eingeseift und angebaggert, die erkennen läßt, willig zu sein, aber leider ihrem Alten nach Hause folgen  muß.

Tempranillo

--
*Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes*, (Francis Delaisi).


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