Grundsätzliches

Diogenes Lampe, Sonntag, 09.09.2018, 14:12 (vor 2028 Tagen) @ Diego25785 Views
bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 09.09.2018, 14:23

Hallo Diego2 und alle anderen hier an diesem Thema Interessierten,

das Problem bei der Erforschung des Jesuitenordens und seiner Ideologien ist, das man noch nicht wirklich die richtigen Grundfragen stellt, die mit seiner Entstehung zusammen hängen.

Ich freue mich jedoch sehr, dass einige meiner Leser in Sachen Jesuiten meinen Hinweisen nachgehen und jetzt wirklich mal den historischen Grund erforschen. Sie kommen gut voran, denke ich! Entscheidend aber sind für mich zwei Dinge in der Recherche:

1. die Ideengeschichte (das ist der schwierigste Part)
2. an welchem Punkt der Geschichte setzt man an, um die nachfolgende Geschichte richtig einzuordnen und zu verstehen? Ich kann mich z. B. der Ideengeschichte des 16. Jh. nur aus der des 15. Jh. nähern und nicht aus der des 20. Jh., usf....

Bestimmte historische Gruppierungen lassen sich vor allem durch ihre Ideengeschichte auseinanderhalten. Die verfolge ich vor allem. Denn so erkennt man die jeweiligen Denkweisen und deren Entwicklung in den einzelnen Organisationen, Strukturen und Strömungen. Das trifft u.a. auch auf den Grand Orient in Frankreich und die englische Mutterloge in London zu, die beide keine offizielle Verbindung zueinander haben sollen, weil der GO das englische Konzept vom Allmächtigen Baumeister aller Welten verwirft und neben Juden, Moslems, Buddhisten ect. auch Atheisten zuläßt. Der GO hat ähnlich dem Schottischen Ritus auch das Hochgradsystem in die Freimaurerei eingeführt, während sich die ursprünglichen englischen Logen, deren Zentrale die Großloge von London ist, auf die drei Grade Lehrling, Geselle und Meister beschränken.

Wenn hier nun also mit den Marranen und Alumbrados begonnen wird, dann ist das wirklich eine sehr heiße Spur, die uns in der Forschung der Vorgeschichte des Jesuitenordens weiter bringt. Aber nur dann, wenn man erforscht, was die Marranen gedacht haben und was die Alumbrados. Da ist die Quellenlage einerseits nicht sehr ergiebig, andererseits aber doch. Ich kann daher das Buch von Maryks nur empfehlen, auch wenn ich nicht mit allem übereinstimme, was die historischen Schlussfolgerungen daraus betrifft. Aber es ist eines der seltenen Bücher, die sich überhaupt mit dieser Frage beschäftigt haben.

Es ist wirklich eine historische Tatsache, dass man den Jesuitenorden vor allem in Rom am Beginn seiner Entfaltung als eine jüdische Synagoge betrachtet hat, so dass die Jesuiten Roms Ende des 16. Jh. sogar genötigt waren, einen Aufnahmestop für Juden zu erlassen, obwohl der Ordensgründer Loyola die Judenmission als Kernauftrag des Ordens betrachtete. Ebenso wie der 2. Ordensgeneral, der Marrane Lainez und der 3. General, Franziskus Borgia. Und diese Aufgabe steht natürlich noch als Kernauftrag. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Aber warum traten so viele Juden bzw. Marranen gerade zu dieser Zeit in den Jesuitenorden ein? Das hing historisch ja auch eng mit der Vertreibung der Juden und Marranen aus Spanien zusammen, von denen viele nach Rom gingen.

Wenn man sich in seiner Recherche von Grundannahmen leiten läßt wie: Hinter den Jesuiten stecken die Juden! - versteht aber weder etwas von der Geistesgeschichte der Jesuiten noch von der jener Juden, die den Orden initiierten, dann versteht man die Sache nicht, sondern verwickelt sich immer nur weiter in die üblichen Verschwörungstheorien und Rassismen.

Man kann ja auch mit Fug und Recht ganz generell aussagen: Hinter dem Christentum stehen die Juden. Das ist eine Binsenweisheit. Dann wäre schon das Christentum an sich jüdische Weltverschwörung. Denn Christentum basiert nunmal biblisch auf dem Judentum; genauso wie der Islam. Das weiß jedes Kind, dass in allen drei Religionen Abraham der Urvater ist. Dennoch ist das Christentum nicht einfach Judentum für Nichtjuden. Es ist vielmehr ein Synkretismus aus ganz verschiedenen Religionen und Philosophien, gerade auch heidnischen, griechischen, ägyptischen, römischen, babylonischen, phönizisischen und persischen Kulten des Römischen Reiches. Dazu gesellen sich später gotische, keltische, slawische, germanische ect... Sogar buddhistische Elemente sind unverkennbar, die sich in einigen Aussagen Jesu nachweisen lassen. Vor allem in den Apokryphen. Doch bei all diesen Übernahmen religiöser Elemente ging und geht es dem römischen Papsttum immer nur um Eines: Die politische Macht! Die Universalmacht! Wobei das Papsttum wie die römischen Caesaren letztlich die römischen Familien vertraten, die man auch als Schwarzer Adel bezeichnet und deren Dynastien bis heute bestehen.

Der Gegensatz zwischen Juden und Christen ist genau genommen ein theologischer, aber beide Lehren basieren auf der jüdischen Thora (Altes Testament) und der Idee des Messianismus. Und wie innerhalb des Christentums gibt es auch innerhalb des Judentums ganz unterschiedliche Gegensätze. Z.B. einen wesentlichen Unterschied zwischen Synagoge und Tempel, die man berücksichtigen muss. Also zwischen Rabbinat und Hohepriesterkollegium.

Mit Geistesgeschichte meine ich nicht die übliche Geschichte, die man überall über die Jesuiten liest. Die Jesuiten tauchen ja zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt der Geschichte auf; so, wie vor ihnen die Tempelritter, die das erste umfassende Finanzsystem in Europa installierten. Es sind immer ganz besondere Krisen, mit denen deren Aufstieg und Untergang zusammenhängt.

Beide Orden aber hatten es mit ihrer Finanzpolitik auf die Universalmacht des Papsttums in der Nachfolge der römischen Caesaren abgesehen und suchten zu unterschiedlichen Zeiten zu unterschiedlichen Bedingungen und mit unterschiedlichen Methoden die weltliche Herrschaft der Könige und deren Völker dem Schwarzen Adel zu unterwerfen. Beiden ging es um die Universalmonarchie als Universalherrschaft - den Kerngedanken Roms, der schon im Namen „Katholisch“ zu finden ist.

In dieser Universalmonarchie spielten Ende des 15. Jh. die Borgias eine wichtige Rolle. Aus dieser spanischen Marranenfamilie ging auch Papst Alexander VI. hervor, der aus dem Papsttum eine Familiendynastie machen wollte; also geistliche und weltliche Universalherrschaft zusammenführen. So, wie es noch unter dem römischen Kaiser, der dafür den Titel „Pontifex Maximus“ führte, der Fall war.

Unter dem Pontifikat Alexanders VI. ereigente sich die Austreibung der Juden und Mauren aus Spanien, sowie die Entdeckung des Seeweges nach Amerika durch Columbus. Zu diesen „Erfolgen“ bei der Durchsetzung eines globalen Universalmachtsanspruchs gesellte sich jedoch die Existenzkrise des Papsttums, die schließlich die Kirchenspaltung durch seine Nachfolger nach sich zog.

Die Nachfolger begründeten widerum eine päpstliche Bankendynastie, als Leo X., also ein Medici aus der florentiner Kaufmanns -und Bankiersfamilie zum Papst gekrönt wurde. Damit ging eine sehr wichtige Veränderung in der Herrschaftsmethode einher. Die Medici, Fugger und später die Jesuiten konnten seit der Erfindung der doppelten Buchführung ganze Königsdynastien aufsteigen lassen oder zu Fall bringen. Die Reformatoren bekamen Ihre stärkste Waffe durch die Erfindung des Buchdrucks in die Hand. Der Schwarze Adel mußte immer wieder seine Macht teilen. Hier gibt es die zwei großen Strömungen der Römer und Venezianer (dazu zählen später die Niederländer wie die Engländer).

So komplex steht es auch mit der historischen Entwicklung des Zionismus. Auch er ist zunächst eine Krisenerscheinung innerhalb des Judentums. Aber was ist der Zionismus überhaupt? Auch hier gibt es unterschiedliche Strömungen. Die Unterschiede zwischen Herzl und Achad Haam gleichen z.B. denen zwischen Kommunisten und Faschisten. Aber das Gesamtjudentum bestand nicht nur aus Anhängern beider Zionismen.

Fange ich also mit dem Zionismus zu forschen an, dann beginne ich den Bau meiner Erkenntnis quasi im obersten Stock. Entsprechend instabil ist er dann auch. Ich brauche also erstmal ein historisch tragfähiges Fundament, um ihn überhaupt richtig einordnen zu können.

Genauso verhält es sich mit dem Thema China und die Universalherrschaft. Ohne mich sorgfältig mit Chinas Ideenlehren, vor allem dem Taoismus und Konfuzianismus zu beschäftigen, kann ich nicht erkennen, was für die Jesuiten der besondere Reiz war und ist, diese Lehren für das eigene Universalmachtstreben Roms zu benutzen. Wie sie das taten und tun, gehört widerum zur Geschichte der katholischen Theologie aber auch zur Geschichte der europäischen Aufklärung, die in China aufgrund der jesuitischen Beschreibungen aber auch des beginnenden Warenaustausches (Porzellan, Seide) irrtümlich paradiesische Zustände annahmen und so unbewußt auf jesuitische Bahnen gelenkt wurden. Das zeigt sich dann später in der Bewunderung solcher Aufklärer wie Montesquieu für den Jesuitenstaat Paraguay.

Wie die Chinesen die Jesuiten benutzten und schließlich abwehrten und aus China wieder hinauswarfen und warum, gehört zur chinesischen Geistesgeschichte. Aber gerade der Kollektivismus in China hat die Jesuiten wesentlich inspiriert bei ihrer Entwicklung von Kommunismus und Faschismus. Allerdings aus einem fundamentalen Mißverständnis heraus.

Trotzkismus wie Bolschewismus (also Marxismus-Leninismus) haben unterschiedliche Ansätze in der Staats -und Revolutionstheorie. Aber beide sind letztlich Jesuitismen. Doch das kann ich nicht erkennen, wenn ich bei meinen Recherchen mit der Oktoberrevolution 1917 beginne. Dasselbe gilt für Stalinismus und Faschismus. Es nützt Ihnen also wenig, wenn ich Ihnen diese Fragen isoliert von den historischen geistigen Entwicklungen beantworte. Da kommen dann zurecht tausend weitere Fragen und man verzettelt sich.

Dasselbe gilt für die Erforschung der Freimaurerei als jesuitische Institution. Deren Geschichte ist ja auch völlig vernebelt worden, um eben die Jesuiten als Urheber zu tarnen. Auch hier hilft nur, sich

1. bei der Entstehungegeschichte möglichst genau an die tatsächliche Dokumentenlage zu halten; nicht an all die phantastischen Entstehungsgeschichten, die von vielen Freimaurern selbst kolportiert werden. Hier kommt man aber dennoch durchaus weiter, wenn man sich nicht nur an antifreimaurerische Schriften hält, sondern gerade auch an die freimaurerische Quellenforschung, deren wissenschaftliche Publikationen oft wirklich sehr zuverlässig sind.

So kann ich jedem Interessierten nur empfehlen, sich das Freimaurerlexikon von Lennhoff und Posner anzuschaffen. Zwar sind auch hier manche Desinformationen verstreut, aber ebenso viele Informationen, die wissenschaftlichen Standarts stand halten. Entscheidend ist auch hier, beim puzzeln die passenden Steine zu finden, um sich das Gesamtbild zu verschaffen. Das ist aber sehr viel Arbeit.

2. die Ideengeschichte der unterschiedlichen Logensysteme zu erforschen, die mit der politischen ihrer Zeit eng zusammen hängen. Dann kommt man auf ihren katholischen und jesuitischen Kern.

Vielleicht verstehen Sie und alle anderen Mitdiskutanten hier nun besser, dass ich nicht kokketiere, wenn ich noch um Geduld bitten muss. Ich will es nicht besonders spannend machen, sondern möglichst verständlich. Und das in einem Forum, wo nicht der Platz für ganze Bücherbände ist, die dieses Thema eigentlich erfordern würde, wollte man es einigermaßen erschöpfen

Beste Grüße DL


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung