Sklaven des Klanges

nemo, Mittwoch, 05.09.2018, 12:51 (vor 2060 Tagen) @ Silke2162 Views

Hallo Silke,

die Worte scheinen das Problem zu sein, weil wir Begriffe unterschiedlich verwenden. Daher werde ich drum herum schreiben, so dass das Thema etwas mehr in der Vordergrund kommt.

Wir werden in einen Wust aus Gesetzestexten hinein geboren, der einige Meter im Bücherregal eines Anwalts einnimmt. Die Bücher in diesem Regal begründen die formlose Gewalt.

Auch durch den Film Matrix wird es sichtbar. Den Menschen wurde eine Realität aufgezwungen. So wie ein Heranwachsender niemals die Bedeutung der Gesetzestexte der Regierung verstehen kann, konnten die Menschen in der Matrix niemals erkennen, dass sie in einer Matrix leben.

Die heutigen Ureinwohner Nordamerikas sind Christen, weil sie in eine christliche Welt hinein geboren wurden und ihre Vergangenheit vergessen haben.

Alle folgen dem Klang der Deutung der Realität, der vom Machtsystem ausgeht. Mit diesem Klang haben sich die Menschen so sehr identifiziert, dass ihre Persönlichkeit, ihr Lebenssinn und ihr Verständnis davon abhängen.

Wir können das erst erkennen, wenn wir einem Regenwäldler begegnen, der diesen Klang nicht kennt und sein Leben nach seinem eigenen moralischen Verständnis führt. In diesem Verständnis, ist es ein Fehler Gewalt anzuwenden, weil dadurch Leid entsteht. Leiden ist in der Welt des Regenwälders ein schlimmer Zustand. Dennoch muss auch der Regenwäldler Gewalt anwenden, wenn er Nahrung braucht und Tiere tötet. Oder wenn er sich gegen andere verteidigt. Der moralische Kompass seines Handelns wird durch sein Gewissen bestimmt, das immer abwägen muss. Gewissen ist auch nur ein Wort, aber man kann darunter die Fähigkeit verstehen, zu fühlen und aus dem Abwägen der Gefühle eine Handlungsmaxime abzuleiten.

Das können wir auch in einem gewissen Rahmen. Aber können wir aufgrund unserer Gefühle auch die Gesellschaft verstehen oder verändern? Nein, das ist nicht mehr möglich, weil wir innerhalb eines Systems leben, das auf Gewalt beruht. Diese Gewalt ist formlos, weil sie nicht real und greifbar ist, sondern in dem kollektiven Zwang besteht, dem Klang zu folgen.

Ich weiß, dass ich einen Gerichtsvollzieher in der Wohnung habe, wenn ich meine Steuern nicht bezahle. Also folge ich dem Klang und bezahle sie. Der Polizist, der auf Demonstranten einschlägt, tut dies nicht, weil sein moralischer Kompass ihn dazu bewegt, sondern weil er dem Klang folgt.

Bis hin zu Nietzsche und dem Zitat: „Die letzten Menschen werden sagen, wir haben das Glück erfunden und blinzeln.“ Das wirklich schlimme ist dabei, dass wir diese Art der Sklaverei als Glück umdeuten und zufriedene Sklaven werden. Um das zu erkennen, müssen wir uns jedoch jenseits des Klanges befinden. Sehr schön beschrieben wird diese Situation in dem Film: Der Schamane und die Schlange:

Amazonas, Anfang des 20. Jahrhunderts: Der Schamane Karamakate wird gebeten, den deutschen Forscher Theodor Koch-Grünberg zu heilen. Doch dafür müssen sie die geheimnisvolle Yakruna-Pflanze finden. Etwa 30 Jahre später sucht der Botaniker Richard Evans Schultes Karamakate auf. Auch er ist auf der Suche nach der Yakruna. Karamakate, der mittlerweile den Zugang zur Geisterwelt verloren hat, macht sich noch einmal auf den Weg auf dem Amazonas, ins Herz der Finsternis ...

In grandiosen Bildern erzählt DER SCHAMANE UND DIE SCHLANGE von den Mysterien einer fast vergessenen Kultur und den Schrecken der Kolonialisierung. Beruhend auf wahren Begebenheiten, als faszinierendes Abenteuer erzählt. Auf dem Cannes Filmfestival wurde er mit dem C.I.C.A.E. Award ausgezeichnet.

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Gruß
nemo


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