Du beschreibst gut, nutzt aber die Begriffe nicht richtig

Silke, Mittwoch, 05.09.2018, 11:12 (vor 2053 Tagen) @ nemo2204 Views
bearbeitet von Silke, Mittwoch, 05.09.2018, 11:35

Lieber nemo,

durch deine Texte verstehe ich nun, dass ich für mich den im Forum eingeführten Begriff der formlosen Gewalt erweitern muss auf die historischen Phasen, in denen Cäsare, Alleinherrscher, Diktatoren und Despoten begannen, ihre Macht zu entfalten, was dann auch für die Anfangsphase der Entstehung von Zentralmachtordnungen (ZMO) mit der gewaltsamen Zerschlagung der Segmente gelten muss (hat @Ashitaka auch irgendwo formuliert, glaube ich).
Es muss aber eine anfängliche Willkürherrschaft etabliert worden sein die sich aus Versprechen und Hoffnung + formlose Gewalt nährt sonst macht der vom @b.o.bachter zitierte kluge Passus aus "Von der freiwilligen Knechtschaft des Menschen" von Étienne de La Boétie keinen Sinn:
"... Der Mensch, welcher euch bändigt und überwältiget, hat nur zwei Augen, hat nur zwei Hände, hat nur einen Leib und hat nichts anderes an sich als der geringste Mann aus der ungezählten Masse eurer Städte; alles, was er vor euch allen voraus hat, ist der Vorteil, den ihr ihm gönnet, damit er euch verderbe. Woher nimmt er so viele Augen, euch zu bewachen, wenn ihr sie ihm nicht leiht? Wieso hat er so viele Hände, euch zu schlagen, wenn er sie nicht von euch bekommt? Die Füße, mit denen er eure Städte niedertritt, woher hat er sie, wenn es nicht eure sind? Wie hat er irgend Gewalt über euch, wenn nicht durch euch selber?"

Das funktioniert nicht lange in einem reinen Terrorstaat. Es braucht noch Versprechen und Hoffnung sonst wird das Land mit Partisanen, Widerstandkämpfern und ähnlichem überflutet.
Zur Proskription kann man eben nur die 2300 Personen heranziehen, dann kann nach einer Phase der formlosen Gewalt gegen diese die formelle Gewalt um so stabiler etabliert werden.

Das Phänomen der innerlichen und äußerlichen Legitimierung der Herrschaft (Hoffnung) und die Kreditvergabe durch die Masse an den Herrscher (den Schuldner) wird hier im Forum sehr gut beschrieben.
Es ist die Abgabe der Macht der Masse an den Herrscher (die in der Krönung mit Krone, Thron, Szepter, Waffe und sonstigen Insignien der Macht bildhaft und verbindlich festgezurrt wird), die er flugs wieder an die Gefolgschaft und die Sympathisanten in Form von Privilegien zedieren muss, um nicht bei erster Gelegenheit gestürzt zu werden.

wir haben uns vollkommen von einer moralischen Sichtweise unserer
Handlungen entfernt.

Moral hat bei debitistischem Denken nichts zu suchen.
Ich kann Altschulden nur bedienen, wenn ich Neuschuldner samt Potential und Ressourcen mit in den Abgrund reiße - und das gilt für alle Menschen, die nicht aus der Zivilisation austreten (die Ausgetretenen müssen dann eben ihre Nachschuldner im Tier- und Pflanzenreich akquirieren, wo ist da der Unterschied? Ist ein Mensch wohl wertvoller als ein anderes Lebewesen?).
Das ist doch alles Heuchelei oder Dummheit.

Der besiegte Feind war unterlegen und eine moralische
Sichtweise hätte zur Folge, den unterlegenen Gegner nach seiner Niederlage
in Ruhe zu lassen. So wie man einen Menschen, der kampfunfähig am Boden
liegt, nicht noch mit Füßen tritt.

Wenn Kampf ist kann sich ein Kombattant keine halben Sachen leisten. Das muss man vor dem Kampf klar haben. Die Macht muss mit aller Härte anfangs formlos gewalttätig agieren, um dann formelle Gewalt etablieren zu können (aber immer auch weiterhin schön die Waffe sichtbar zeigen). Hier muss dann das "friedliche" Wirtschaften mit Abgabeerhebung aufgesetz werden = gegenseitig Abgabeeinheiten abjagen um den Sanktionen der Macht gegen sich und die Seinen zu entgehen. Das ist doch nur eine andere Form von Krieg, in dem wir heute stehen - formlose->formelle Gewalt per Rechtsetzung, Gesetz und Wirtschaft und nicht das Philosophengeplapper von "Abhalten der Menschen vom sich gegenseitig ermeucheln". Das ist nicht des Menschen Natur, das hat Erich Fromm lang und breit in seinem Agressionsbuch geschrieben nachdem es Wilhelm Reich angestoßen hatte).

Nur ein gewissenloser Herrschaftsanspruch, der mit Gewalt durchgesetzt
wird, erschafft Abhängigkeit, Sklaverei und Unterdrückung.

Was ist denn Gewissen außer Selbstberuhigung?
Wenn ich und die Meinen leben, dann nur auf Kosten anderer Menschen, Tiere, Pflanzen über endlose Ketten von Abgabesystemen mit Redistributionen, teils schrecklichen Unternehmungen weltweit, und Privilegien.

Das ist wichtig zu verstehen, weil das ist formelle Gewalt.

Ja. Gewaltfähigkeit, die in einer bestimmten Form eingehegt wird durch Machthalter, Gefolgschaft und Erzwingungsstab um seine Monopole zu schützen – Recht und Gesetz.
"Die Macht ist nur anklagbar aber nicht verklagbar, in sie kann nicht vollstreckt werden".
@dottore
Wann wurde die EU-Kommission zuletzt verklagt für ihr menschenverachtendes Treiben?

Formlose Gewalt ist der Zwang hinein in ein Deutungssystem. So wie das
Christentum überall auf der Welt, Menschen in ihr Deutungssystem gezwungen
hat. Das Deutungssystem beginnt mit der richtigen Sprache und der korrekten
Verwendung von Begriffen, die dem Deutungssystem entsprechen.

Nein nemo.
Das ist auch formelle Gewalt vom Feinsten.
Formlos wäre das, wenn wir uns ohne Rücksicht auf Verluste um die Begrifflichkeiten zanken würden mit allen Mitteln die machbar sind einschließlich Telefonterror, Stalking und Selbsthilfe (Messer im Supermarkt kaufen wie bei dem voll heimtückischen Mord in Kandel und ehrverletzt dich eines Besseren belehren - der Stärkere gewinnt) wir dürfen aber nur einsetzen was erlaubt ist, weil es hier Regeln gibt, die bei Bruch zum Rausschmiss führen müssten wenn unserer "Machthalter" ausreichend mächtig wäre (ist er aber nicht deshalb sind es nur Regeln an die sich viele nicht halten und kein sanktionsbelegtes Gesetz: "andere Foristen persönlich beleidigt->raus").

In diesem Sinne kann ein Schamane aus dem Regenwald über den Geist des
Menschen sprechen und damit Gott sehr nahe sein. Aber leider spricht er die
falsche Sprache – eben nicht im Deutungssystem der Christen – und muss
deswegen sterben.

"Gott" ist nur ein Begriff einer Gruppierung von Menschen für das Gleiche, das in anderen Sprachen anders heißt.
Selbst Atheisten glauben an einen Gott - Wissenschaft.
Hans-Peter Dürr scheint mir da nach wie vor einer der geeignetsten Vermittler gewesen zu sein.

Was tun nun die Eingeborenen aus dem Regenwald? Sie schwören in
Todesangst, den Gott der Christen anzubeten, obwohl sie überhaupt nicht
verstehen, was dieser Gott ist und wofür er steht. Das ist formlose
Gewalt.

Die formlose Gewalt erledigen die Söldner.
Erst danach kommen die Pfaffen und Beamten mit ihrer formellen Gewalt "du darsft nicht dieses und du darfst nicht jenes sonst -> Hölle/Bußgeld (ja das heißt wirklich Buß-Geld). Das ist Durchsetzung von Recht und Gesetz per Sanktion und damit formelle Gewalt.

Dieses Prinzip kann man auch auf den Kapitalismus bzw.. Debitismus
anwenden. Aus verschiedenen Quellen wird ersichtlich, dass der Zwang zum
Wirtschaften mit dem Zwang zum Christentum einher ging.

Schon in Sumer wurde ein Stadtgott vorgeschoben, um die Macht des Herrschers zu rechtfertigen.
Nichts wirklich Neues.

Die Kirche war eben
nicht nur ein Glaubenssystem, sondern auch von vorne herein ein
Wirtschaftsmodell, das Abgaben verlangte und Vorschriften machte.

Eins von vielen Zentralmachtsystemen, die sich gegenseitig bekämpft haben und bekämpfen wie z.B. Mafia, Oligarchen, Kirche und Staat gleichzeitig mit phänomenologisch völlig verschiedenen Geschäftsmodellen operieren, die aber im Kern glitzegleich sind - Schutzgelderpressung/ Abgabeerhebung um das vorzufinanzierende Herrschaftssystem samt Grenzen und Schäfchen zu etablieren und zu verteidigen.
Aus Viehzucht wurde Menschenzucht.
Nichts wirklich Neues.

Auch der
Kommunismus war ein System, das auf formloser Gewalt beruhte. Durch
permanente Einschüchterung, Propaganda und Erziehung wurde den Menschen
ein Glaubenssystem aufgezwungen. Jeder der gegen dieses System aufbegehrte
war ein Feind des Kollektivs. Dadurch entstand ein innerer Zwang, sich dem
Kollektiv anzupassen.

Formelle Gewalt vom Feinsten ("Scheiß-Kommunismus geplappert -> Bautzen).
Wo Gesetze eine wenn->dann Beziehung festschreiben, haben wir es mit formeller Gewalt zu tun (Uwe Wesel lesen z.B. "Geschichte des Rechts" oder wenigsten den hier immer wieder verlinkten Buchauszug).

Das geschieht heute wieder. Ganz ohne äußerliche
Gewaltanwendung fügen sich die Menschen in ein System, weil sie
andernfalls vom System ausgestoßen werden und auf sich selbst gestellt
sind.

Wie bitte? Ohne Gewalt???
Du hast schon lange keine Hausdurchsuchung oder hochnotpeinliche Befragung mehr durchgemacht und bezahlst offensichtlich deine GEZ-Abgaben und anderen Steuern pünktlich? Mach das mal nicht mehr, dann kannst du die systemische Gewalt kennen lernen.
Bloß weil wir Privilegien haben heißt das nicht, dass wir nicht einer täglichen Gewaltausübung durch diese Bürokratur und Eurokratur ausgeliefert sind.

Sobald die formlose Gewalt nicht mehr akzeptiert wird, egal ob in
politischer oder religiöser Hinsicht, beginnt die formelle Gewalt zwischen
Herrschaft und Unterdrückten.

Das ist wiederum genau richtig und der Dreh- und Angelpunkt eines erfolgreichen Machtstreben. Ohne Machtzession (wohlgemerkt immer! Zession und nie Abgabe sonst ist sie schnell weg, die Macht) per Privilegien (Angeln darfst du hier und da schon, aber nur mit Angelschein und nur genau hier und da und nicht dort! ) nach der Phase rücksichtsloser formloser Gewalt muss die Konsolidierung der Machtaneignung per Formalisierung=Rechtsetzung erfolgen ->formelle Gewalt.

...wieder zu lang geworden.

Liebe Grüße
Silke


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