Ein paar Einlassungen aus meiner Sicht ....

NST, Südthailand, Montag, 27.08.2018, 07:22 (vor 2066 Tagen) @ helmut-14406 Views
bearbeitet von unbekannt, Montag, 27.08.2018, 07:46

Hallo

Die Beweggründe die jeder hier hatte, D den Rücken zu kehren, waren interessant zu erfahren.

Fangen wir mit der Zukunft an - wo will ich begraben werden? Ohne eine Sekunde zögern zu müssen, hier wo ich lebe und zwar durch einen Schornstein. [[freude]] Es gibt hier auch Erdbestattungen (eher die Ausnahme), aber in einem Loch möchte ich nicht verrotten. Mein Vater starb zuerst, er wollte auf seinem Heimatfriedhof beerdigt werden, dort wurden schon seine Eltern begraben. Allerdings dürfen dort nur noch Leute begraben werden, die in der dortigen Gemeinde geboren wurden. So kam es, dass meine Mutter auf einem anderen Friedhof bestattet werden musste, sie kommt aus Triberg - ach ja, wir aus Singen, früher gehörten wir noch zu Rielasingen, das hat sich in der Zwischenzeit geändert. So viel zur deutschen Gründlichkeit. Nix mit im Tode vereint .....

Bis zu meinem 15. Lebensjahr wurde ich mit dem normalen deutschen Bildungsgut erzogen. Ein Anhänger der Rock und Popkultur, mit romantischen Hippie Feeling. Eine 5 Jahre ältere Kusine wurde damals eine Anhängerin von Bhagwan und folgte ihm nach dem Lehramtsstudium nach Poona und später in die USA. Das fand ich super, so wollte ich auch werden. [[top]]

So fand ich auch schnell zur grünen Bewegung, war auf den üblichen Demonstrationen gegen Atomkraft und NATO Doppelbeschluss - hatte den Arbeiterkampf abonniert und besuchte linke Zirkel mit maoistischem Hintergrund. Parallel dazu begann ich mit Kampfsport - das war im Prinzip das krasse ideologische Gegenmodell. Das Schicksal bestimmte, dass ich von Anfang an, dort auf einen japanischen Trainer traf, der mich in seinen Bann zog. Nicht mehr Poona war das Ziel, nein der Samurai Geist übernahm die Führung und Ausbildung. Der Japaner war ein Anhänger vom Kaisertum und lachte sich tot über uns politischen Spinner. Ich kam bis in die Nationalmannschaft und leistete meinen Wehrdienst in der Sportkompanie in Sonthofen ab, einer ehemaligen SS Kaserne aus dem Umfeld des Lebensborn. Dort wurde ich unfreiwillig zum ersten Mal mit der Geschichte aus einem anderen Blickwinkel konfrontiert.

Ideologisch immer noch ein Kriegsdienstverweigerer leistete ich dort als Sportsoldat meinen Wehrdienst ab. Übrigens in dem damaligen Umfeld dieser Nationalmannschaft war alles vertreten: vom linken Maoisten bis zum strammen Nazi, vom Banker aus Frankfurt bis zum langhaarigen Hippieverschnitt ... was für den Japaner nur zählte, war wie sich alle in die Gruppe einfügten. Die Mehrheit aber, stellten die Linken .... Den Kaiservertreter interessiert unsere politische Gesinnung überhaupt nicht, das förderte den Einsatz des Einzelnen aber ungemein, wenn es um die Rangliste ging. Wenn der Nazi und der Maoist aufeinander traffen, schenkte man sich nichts, jeder kämpfte bis zum Letzten, also eigentlich optimale Voraussetzungen ... die damaligen Erfolge gaben dem Kaiservertreter recht, auf der ganzen Linie.

Das war eine Dekade meine Familie und die Politik lief nur nebenher. Gesundheitsprobleme - die mich real mit dem Tode bedrohten, katapultierten mich aus dieser Familie heraus, es war kein freiwilliger Ausstieg. Ich musste plötzlich realisieren, dass wenn die Leistung ausblieb, mich niemand mehr brauchte. Ein ganz hässlicher Aufwachprozess wurde eingeleitet. Alles was ich gelernt hatte, war mit dem Sport assoziiert - neben der B-Trainer DSP Lizenz hatte ich noch Masseur gelernt und versuchte mich dort im Sportsektor zu positionieren. Das wurde alles hinfällig, ich musste einen kompletten Neustart einleiten.

Auf dem 2. Bildungsweg noch das Abi gemacht, ein Informatik Studium begonnen, aber als ich dort erlebte wie irre meine Professoren und die Studenten waren, hab ich das gelassen und statt dessen noch einmal eine Berufsausbildung gemacht, die ich mit 30 Jahren abschloss.

Als ich den Gesellenbrief in Händen hielt, war ich urlaubsreif. Ich ging auf Weltreise und landete das 1. Mal in Thailand. Weiter kam ich nicht mehr, hier endete die Weltreise und ich blieb 6 Monate im Land. Dort fand so eine Art Gehirnwäsche statt, die Realität betrat mein Leben. In dieser Zeit reifte der Plan, mit spätesten 50 Jahren werde ich mich hier dauerhaft niederlassen. Als ich zurück in D war, begann die Uhr zu laufen. Finanziell so gut wie auf Null - und noch keinen Job - wir schrieben das Jahr 1992.

Mit Null Berufserfahrung und einem frisierten Lebenslauf, begann ich einen Job im 3-Schicht Betrieb, als Betriebselektriker in einem Betrieb mit 6 Linien, die Aluminiumdosen produzierten, z.B für Haarspray. Ab dem 3. Monat war ich allein auf Schicht, niemand auch nicht mein Chef realisierten, dass ich quasi ein Lehrling war und gelernt hab ich viel. Nach 4 Jahren mit unzähligen Überstunden hatte ich damals 100k DM gespart und ich war bereit, den ersten Startversuch in TH zu unternehmen. Dort gekündigt und nach TH. Dort 2 Jahre eine Firma für Webseitenerstellung gehabt - das war zu der Zeit noch vollkommen neu, auch in Deutschland. Die Asienkrise warf mich aus dem Geschäft 1997 entwertete mein Kapitalstock um 50%, den ich natürlich in Baht hielt, wegen der damaligen Zinsen auf Festgeld von 1x%. Wieder zurück nach D, mit einer Thaifrau im Handgepäck. [[freude]]

Das mit dieser Frau lief nicht lange gut, war mir eigentlich klar, damals aber waren noch Reste eines Gutmenschen in mir zurückgeblieben. Einvernehmliche Scheidung, so viel ich weiss lebt sie noch in D und spielt Karten. Für mich war eigentlich Thailand keine Option mehr. Man sollte eben nicht so viel denken. Das Leben hat seine eigenen Pläne. Ohne in Thailand zu sein, lernte ich mein jetzige Frau kennen. Eine vollkommen verrückte Geschichte, die hier fehl am Platze ist.

Sie kam nach D und wollte hier leben, so begann es, ein Kind wurde hier geboren und alles lief eigentlich normal. Sie lernte Deutsch, das Kind kam in den Kindergarten, ich war inzwischen bei einem Weltkonzern und die Hälfte des Jahres im Ausland im Einsatz. Das Einkommen passte, als Grenzgänger konnte ich es in der Schweiz versteuern ... [[top]] Sie bekam einen Bandscheibenvorfall und die kalte Jahreszeit bereitete ihr enorme Probleme. Der Sohn war im Kindergarten und ich realisierte, dass es dort (2006) fast keine deutschen Kinder zu finden gab. Irgend wann sagte meine Frau - sie will nicht mehr hier bleiben, das Leben in TH wäre besser. [[hae]]

Ausserhalb der Sommerzeit, benötigte sie immer Schmerzmittel, wegen dem Rückenleiden, auch Sport und Reha verbesserten das nicht. Sie meinte sie kann in TH für sich selbst sorgen, ich bezahle nur für das Kind. Mit meinem Job konnte ich das Kind nicht betreuen, ich war ja immer unterwegs. Ich bezahlte für sie die Mietwohnung, gab ihr die Anzahlung für das Auto gab ihr das Geld für eine Kautschukplantage und bezahlte Schulgeld und alles nötige für meinen Sohn und sie startet mit dem Sohn den Schulbeginn in TH. Sie hatte nicht geblufft. Das lief und inzwischen hat sie bereits noch andere Geschäfte, die mehr abwerfen als aktuell die Plantage. Ich arbeitet noch 1,5 Jahre in der Schweiz bis zum meinem Unfall, das war mein Startzeichen.

Ich habe keine Ahnung wie das hier weiter laufen wird. Was ich aber weiss ist, dass Frau und Sohn hier gut versorgt sind und ein besseres Leben als in D führen können. Ausländer sind in TH grundsätzlich nur geduldet, als Familienmitglied sehe ich dies bezüglich aber keine Probleme. Was aber auch klar ist, die einträglichen Geschäfte können hier nur Thais tätigen, wer also hier nicht in der Lage ist, sich in der Hierarchie die überall vorhanden ist, das passende Gegenstück zu finden, hat keinen guten Karten. Als ideologisch von der Geisteseinstellung her immer noch ein Samurai, nehme ich alles wie es kommt, ich kann nicht sagen, dass der Gedanke an den Tod mich schreckt, im Gegenteil, er erweckt meine Neugierde - das nächste anstehende Gefecht.

Also ich würde meine Geschichte nicht als die Geschichte eines Auswanderers bezeichnen, sondern eine Geschichte die das Leben schrieb, obwohl es einen 20 Jahre alten Plan gab der übrigens mit einer Punktlandung endete - meinen 50. Geburtstag feierte ich in TH und die Brücken Richtung D waren in der Rückbauphase und jetzt sind es nur noch Erinnerungen.
Gruss

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Jeder arbeitet im Ausmass seines Verstehens für sich selbst und im Ausmass seines Nicht-Verstehens für jene, die mehr verstehen!


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