Unser Weggang.

WhiteEagle, Sonntag, 26.08.2018, 21:45 (vor 2041 Tagen) @ helmut-15494 Views

Tja,
wo fange ich an.

Wir planen ja nun schon einige Zeit unser auswandern. Das Ganze ist über einige Jahre gereift. Wir fühlten uns immer weniger daheim in Deutschland.

Wir sind einmal zu einem Elternabend beim Griechen um die Ecke gegangen und habe einen Babysitter geholt, damit wir beide hingehen konnten. Wir saßen dort mitten in der Gruppe wie Pik 7 für eine gute Stunde.

Am Kindergarten änderte sich langsam alles. Und ich war dort 4 Jahre im Vorstand um ihn zu retten. Fast 2 Jahre mussten wir uns jede Woche treffen, um das wieder zu richten. Es wurde einfach alles um uns herum anders und fremd.

Die Absurditäten in meiner Arbeit, vor allem der Vergütung, wurden immer unerträglicher. Ein Hausbesuch für 22 Euro durch einen Arzt wird budgetiert (durfte 3 pro Monat machen, insgesamt für alle Patienten). Dann wurde das reduziert auf 2,20 Euro ab etwa dem 10. Besuch. Aber der Krankenwagen für 470 Euro wird anstandslos bezahlt. Da kam die Krankenversicherug ins Krankenhaus, um zu erklären, daß ausnahmslos ALLE Transportscheine zu unterschreiben seien, das wären "Peanuts". Tja, da ich Notarzt war, kenne ich beide Seiten.

Dann das entfremden in der Schule. Wir lebten in einer "Stadt" mit 4000 Einwohnern. Und in 2015 musste dann eine Schülerin unbedingt im Burkini kommen. In der 3. Klasse! Es gab so viele Situationen für uns, wo wir merkten, daß wir hier nicht mehr zu Hause sind.
Dann kamen etliche Situationen, in denen wir immer mehr merkten: zu viele stehen voll dahinter und heften sich dafür insgeheim noch die weiße Rose ans Revers. Wenn Sie im BamF Pässe verschwinden ließen.

Eines Morgens kam im Lokalradio bei uns ein Bericht aus Herford. Da sagte der dortige Bürgermeister wortwörtlich:
Wem diese Politik nicht passt, dem steht es frei zu gehen. Dies gehört nun mal zu Deutschland.

" Wir guckten uns nur an und wussten: Jetzt wird es Zeit für uns.

Ich habe einen Gutteil meiner Kindheit in Kanada verbracht. Daher kam der englischsprachige Bereich zum tragen. Ich hatte auch ein tolles Angebot aus der Schweiz eine Praxis dort zu übernehmen. Der Verdienst war mehr als spitze. Aber, wenn man dort ist, ist man Schweizer, oder eben nicht. Soviel zu Deinem Heimatgefühl. Das kam für uns nicht in Frage. Geld ist nicht alles.

Da haben wir uns für Neuseeland entschlossen. Aus vielerlei Gründen ging es aber zunächst nach England. Um zu sehen, ob das für uns überhaupt geht, mit den Kindern, finanziell etc. Uns gefällt es hier sehr gut. Wir wissen aber, daß wir hier in einer kleinen Insel der Glückseligen im Land sind. Und hier wohnen zu bleiben, können wir uns leider nicht leisten.

Also, geht es nun wie ursprünglich geplant nach Neuseeland. Da ich einen Gutteil meiner Kindheit in Kanada verbracht habe, kommt mir das heimatlich vor. Zudem ist es in NZ nicht so amerikanisch wie in Kanada. Kommt es mir wie Verrat vor? Nein. Ich bin die Minderheit geworden und kann meine Mindermeinung nicht einmal vertreten. Ich kann nichts verteidigen, wenn es gar nichts zu verteidigen mehr gibt und ich dafür noch für verrückt erklärt werde. Mich stimmt traurig, daß ich es mittlerweile so sehe. Vor 5 Jahren hätte ich dies nie so gesehen.

Wir werden alles tun, um dort unten eine neue Heimat zu finden. Zumindest für unsere 3 Kinder. Für uns wird es schwierig sein. Aber das, was wir als Heimat vermissen werden, gibt es jetzt schon kaum noch. Vielleicht wird es dadurch einfacher. Wir haben Angst davor, wie unsere Kinder in Deutschland aufwachsen könnten.

Übrigens, ein Freund von mir ist aus Mexiko. Sein Großvater ist dorthin ausgewandert. Wir trafen uns neulich und er weinte, weil Er nicht verstehen konnte, wie die Deutschen sich selbst so verraten können. Er war immer ein sehr stolzer Deutscher. Ich konnte es im beim besten Willen auch nicht erklären.

Entschuldige die lange Antwort.
Aufgrund Deines Berichts wollte ich auch versuchen, es irgendwie in Worte zu fassen, und es hätten noch viel mehr Erklärungen sein können.

Vielen Dank für Deine ausführliche Erklärung!!
Ich kann Dich sehr gut verstehen.

Ich weiß nicht, ob Du das noch kennst. Aber mein Ältester wird einmal unseren "Hausnamen" tragen. Seit dem 14. Jahrhundert war unser Familienstamm im Kreis Höxter. Mein Bruder trägt ihn derzeit, hat aber keine Söhne. Er ist äußerst froh, daß wir gehen und den "Stamm" mitnehmen. Und auch mein Vater war froh, daß wir gehen.

Übrigens, in Deutschland möchte ich nicht mehr beerdigt werden.

Gruß
WE


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