Debitismus und Systemtheorie sind jedenfalls nicht so sein Ding

Silke, Donnerstag, 23.08.2018, 19:06 (vor 2044 Tagen) @ Dan the Man4499 Views

Er mag ein guter Spezialist sein, aber das muss wohl heute jede in irgendetwas sein.

Lieber Forever-Round,

Ich suche ja schon seit einiger Zeit nach Leuten, die Krall glaubhaft
widerlegen. Mir scheinen seine Ausführungen nachvollziehbar, aber
furchterregend. Ich hatte aber bisher keinerlei Widerlegungen gefunden.

Das System, in dem wir leben nennt sich nach Paul C. Martin korrekt Debitismus und nicht Kapitalismus weil in ihm Schulden existieren (siehe ganz oben angepinnt), weil alles über Verschulden funktioniert vom ersten Moment meines Lebens bis zu dessen Ende.

Da kann Dr.Krall nicht z.B. bei Min.58:00 behaupten, dass alle gewinnen können (1+1=3), wenn sie nur eine freie Markwirtschaft betreiben dürften und könnten.

Irgendjemand muss immer für die Kosten von Aufbau, Unterhalt und Regulierung einer Wirtschaft aufkommen. Das macht keine unsichtbare Hand des Marktes sondern eine waffenbewehrte von Beratern umschwirrte Gesetzgebung und ein Erzwingungsstab aus Bürokraten und Verwaltern, der sich auffächert in jede Gemeinde für deren Erhalt eine immer größere Menge Potential und Ressourcen in jedem neuen Augenblick + Aufschuldung (also zusätzliche Versprechen) notwendig sind, bis die Besicherung dieser Aufschuldung nicht mehr möglich ist (Vorher-Nachher-Problem = alles kostet auf der Zeitskala auf Punkt X immer mehr bevor die immer höher werdenden Kosten auf Punkt X+n überhaupt wieder reingebracht werden können = systemische Vorfinanzierungslücken, die exponentiell wachsen).

Im debitistischen System jagen Schuldner von Anfang an Nachschuldner um selbst von ihren eigenen Schulden runterkommen zu können, die mit Zeitablauf in Summa aber global immer anwachsen müssen, weil allein diese Schuldnerjagd unter teurem systemischen Zwang schon immer vorher mehr Ressourcen und Potential verschlingt als zu jedem beliebigen Zeitpunkt danach in das System reingezogen werden kann – Zeit vergeht und das kostet.

Was meinst du, warum diese Jagd begann, bei der es immer Jäger und Gejagte gibt?
Bestimmt nicht aus Langeweile oder weil auf einem freien Markt beschlossen wurde, dass jetzt alle Eigentum haben und munter loswirtschaften können.

Vor mindestens +/- 5000 Jahren sind die ersten ZMS aus den zerfallenden Sippen- und Clanstrukturen entstanden – wahrscheinlich viel früher. Die haben alles gebunden, was in ihrem Einflussbereich zu bekommen war bis sie Mangels Fähigkeit zu weiterem eigenen Erhalt in Fusion oder Fission gehen mussten – einschließlich Kriege, Propaganda, Machtarchitektur, Kultur, wissenschaftlich-technischer Fortschritt.

Da half es auch noch nie systemisch dauerhaft, andere zu berauben oder Tribut zu fordern (extern) oder später Steuern (intern) – das Ergebnis war immer gleich: war alles geraubt was raubbar war, alles besteuert was besteuerbar war und reichte das nicht mehr für die Besicherung der Aufschuldung bzw. lagen die systemischen Kosten unter dem systemischen Nutzen zerfiel das System oder ging in einem anderen auf.
Es hat noch nie gereicht und es wird auch nie reichen…
Das ist wie bei allen anderen Lebewesen auch. Sie werden geboren, leben ein Weilchen und sterben.
Und da werden sumerische und elamische Zikkurats, und ägyptisch-nubische oder südamerikanische und asiatische Pyramiden nichts daran ändern wie alle anderen Reiche heute auch in Trümmern liegen von Babylon über Achämäniden, Griechen, Römer genauso wie Etrusker, Kelten, Hethiter, Assyrer, Mittani, Makedonien, und in Südamerika Inka, Maja, Azt- und andere eken und jedes andere Reich weltweit, weil es eben nicht funktioniert, noch nie funktioniert hat, sich tapfer durch Krisen hindurch zu wursteln, sondern ein riesiger Zusammenbruch erst wieder eine neue Phase des Aufblühens ermöglicht, wenn alles zerstört, geraubt und geplündert ist.
Diesmal werden wir das leider global erleben so in der Art Zerfall eines globalen römischen Reiches, und da kann man ein wenig fliehen um ein wenig Zeit zu gewinnen, bis es einen dann eben später hinweg rafft.

Wer soll denn da heute noch Gewinner sein außer die, denen es jetzt genau im Augenblick und für diesen Augenblick gut geht – mehr war noch nie drin als ein Moment der simulierten Schuldenfreiheit (Da muss man nicht ein Reicher sein, weil die auch nicht vom Planeten herunter können wenn wir „alle Hoffnungen fahren lassen müssen“).

Für Dr. Krall gilt das gleiche, wie für die anderen klugen Köpfe:
- Nicht immer in der Mitte der Geschichte der Menschheit anfangen und
- Richtig @Calbaer, wenigstens Thermodynamik lernen und
- Wenn schon denken, dann auch fertig denken und
- Nicht so viel hoffen

Allein aus dem von dir postulierten Widerspruch kann ich allerdings keine
Widerlegung seiner Thesen ableiten. Kannst du mehr dazu sagen? Danke im
voraus

NB: Immerhin zählt er in seinem Vortrag acht Punkte auf, um den Crash zu
vermeiden. Im dem bisher diskutierten Interview war davon keine Rede.

Dr. Krall zitiert Dante Alighieri schon richtig:
"Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!" - Die Göttliche Komödie, Inferno III, 9 (Das Höllentor)
Er unterschlägt uns nur, dass wir schon eingetreten sind…

Ein gewaltiger globaler Crash wird nicht zu vermeiden sein und war auch noch nie zu vermeiden, so wie die ganzen großen historischen Katastrophen nicht zu vermeiden gewesen waren. Zentralmachtsysteme sind halt eine neue Spezies auf dieser Welt.
Das System funktioniert - bis es nicht mehr funktioniert.
Paul C. Martin lesen.

Und die österreichische Schule ist definitiv auch nicht unsere Rettung, da das System eben nur systemisch Potential entfalten kann oder nicht, wenn es das kann oder nicht und die Akteure im Vordergrund nichts zu melden und zu sagen haben, was von Belang wäre – eine Explosion ist wenn etwas Explosives in einem geeignetem Umfeld explodiert, weil es das in diesem Augenblick kann und nicht wenn der Sprengmeister, ein Gehilfe oder Jemand, der die Tröte überhört hat dabei schreiend, fluchend oder wimmernd mit fortgeschleudert wird.

Der @dottore hatte sich schon mindestens dreimal nachvollziehbar als Crashprophet versucht.
Dann ging es mit der systemischen Zinssenkung und Draghi‘s "whatever it takes" doch weiter.
@pigbonds war schon ganz gespannt ob dem historischen Novum des Negativzinses (gab es weder in Babylon, Griechenland noch Rom, bevor diese zerflogen) und was man damit so anstellen könnte und @wgn hat auf sein "Ohne Schulden geht nix - damit aber jede Menge“ verwiesen, was ja bei einem einmal gestarteten ZMS auch richtig ist.
@Ashitaka und andere behaupten: so schnell wird hier nicht gecrasht, wenn die Aufschuldung des Systems weiter besicherbar ist und bleibt und @Zara denkt eher und auch nachvollziehbar an schwarze Schwäne wegen der systemimmanenten Komplexitätszunahme und Tainter’s Law oder wenn dem @DT seine völlig zu Recht beklagte zerrüttete Infrastruktur in den Industrienationen kollabiert wie neulich die Brücke und bald die Stromversorger.

Ja, es wird alles enger und schwieriger auf der Zielgeraden für die Masse – jeden Tag für immer mehr - und ja wir haben wirklich alle vom @dottore und anderen hier zusammengetragenen Effekte zu bestaunen (Verrentungssyndrom, Bugwelle, riesige implizite Verschuldung, Tsatsiki-Effekt, Berentung der Babyboomer und Abwanderung der Kompetenten und dazu noch Flüchtlinge, europäische Diktatur …)
Damals war aber die Zahl Billion für mich noch ungewohnt – heute sind ein paar Bio. Normalität, ein paar 10 Bio. auch nichts ungewöhnliches mehr gerade einmal 10 Tsd. Mrd….

Er erläutert ausführlich und an Beispielen das Dilemma, im dem sich die
heutige Wirtschaftspolitik befindet und warum sich die Banken und
Lebensversicherungen in ihrem Todeskampf befinden, der Nullzins-Politik von
Herrn Draghi sei Dank.

Ich denke eher, das war der einzige Weg um überhaupt damals noch ein bisschen weiter machen zu können, gestehe aber, dass ich eher ahnungslos bin.
Bei steigenden Zinsen wird die Staatsverschuldung nicht mehr bezahlbar – die Aufschuldung des Systems nicht mehr besicherbar sein.

Seine These ist, dass die Banken ab 2020 sterben
werden wie die Fliegen, da im Rahmen der heutigen, manipulierten Zinskurve,
ihr Geschäftsmodell implodiert ist.

Staaten (bünde), ZB, GB’s, Kreditnehmer, Versicherungsnehmer, Unternehmer, Arbeiter, Bullshitjober/Simulatoren hängen alle wie die Kletten aneinander und wehe eine von diesen Parteien verweigert in geeigneter Größenordnung das Vertrauen in das System…

Auch das Überleben von Unternehmen durch die niedrigen Zinsen, die unter
normalen Zinskonditionen längst Pleite wären, wird ausführlich dargelegt
- Stichwort Zombi-Unternehmen.

Zombi‘s sind fast alle Unternehmen (Käufer wie Verkäufer) auf der Zielgeraden..
Deshalb bekommt ein Exportweltmeister auch ein TARGET2 von 1 Bio. hin (sonst ginge das nicht).
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2876/umfrage/rangfolge-der-wichtigsten-h...

Besonders die Fragerunde ab Minute 43 ist sehr
sehenswert.

Die Kernprobleme des Systems sind spätestens seit @dottore bekannt, die Symptome variieren historisch, die angebebotenen Lösungen sind für mich nicht überzeugend.
Bei einem Tsunamie ist nicht das zurückgehende Wasser das Problem sondern die Welle (Überschuldung), die dann kommt.

Liebe Grüße
Silke


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