Wenn ich da richtig interpretiere

Mephistopheles, Donnerstag, 21.06.2018, 12:45 (vor 2108 Tagen) @ Oblomow2101 Views

Herzlich
Oblomow
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Friedrich Nietzsche: Menschliches Allzumenschliches
Die Hoffnung

71.

Die Hoffnung. — Pandora brachte das Fass mit den Übeln und öffnete es.
Es war das Geschenk der Götter an die Menschen, von Außen ein schönes
verführerisches Geschenk und "Glücksfass" zubenannt. Da flogen all die
Übel, lebendige beschwingte Wesen heraus: von da an schweifen sie nun
herum und tun den Menschen Schaden bei Tag und Nacht. Ein einziges Übel
war noch nicht aus dem Fass herausgeschlüpft: da schlug Pandora nach Zeus'
Willen den Deckel zu und so blieb es darin. Für immer hat der Mensch nun
das Glücksfass im Hause und meint Wunder was für einen Schatz er in ihm
habe; es steht ihm zu Diensten, er greift darnach: wenn es ihn gelüstet;
denn er weiß nicht, dass jenes Fass, welches Pandora brachte, das Fass der
Übel war, und hält das zurückgebliebene Übel für das größte
Glücksgut, — es ist die Hoffnung. — Zeus wollte nämlich, dass der
Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben
nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen.
Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das übelste
der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.

Dann hat der Mensch doch alles, was in dem Fasse der Alles Schenkenden (das ist die deutsche wörtliche Übersetzung für gr. "Pandora") drin war, erhalten, so wie Sex&Drugs&Rock`n Roll&moderne computerbasierte Medizin&Autos&Benzin&Elektrizität&Computer&Internet erhalten und hält dies für das größte Glück in seiner Zeit;
nur eben die Hoffnung, genau diese hat der Mensch eben nicht, weil sie sich noch in dem Fass der Pandora, d.i. die Alles Schenkende, befindet und fühlt sich deswegen inmitten all des ihn umgebenden Glücks so hoffnungslos und verloren?

Gruß Mephistopheles


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