ZentralMACHT ist der Inhaber (Verwalter, Manager) der UrMACHT, nicht der Eigentümer

Kosh, Freitag, 08.06.2018, 15:50 (vor 2143 Tagen) @ nemo5457 Views

- Macht ist das Potenzial, andere zu zwingen etwas zu tun, das sie freiwillig nicht tun würden.

aus https://de.wikipedia.org/wiki/Potential
- Potential (von lat. potentia „Stärke, Macht“), auch Potenzial, bedeutet Fähigkeit zur Entwicklung; noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten.

Aus welchen Grund auch immer, hat mich dieser Faden an eine Geschichte erinnert:

- Die Geschichte von der furchtlosen Elritze

Mein Lehrer Erich von HOLST, der Begründer der Verhaltensphysiologie,
hatte in den frühen vierziger Jahren ein Experiment durchgeführt, in dessen
Verlauf er aus Gründen, die hier nichts zur Sache tun, einer Elritze das
Vorderhirn operativ entfernen mußte. Die Fische überleben diesen Eingriff
ohne weiteres; aber er verändert ihren Charakter. So werden sie zum Beispiel
ziemlich wahllos in ihrem Freßverhalten. Vor allem aber scheint das
Vorderhirn wichtig für die Auslösung von Furchtreaktionen zu sein. Wenn
man es ausschaltet, verliert das Tier alle Ängstlichkeit und schwimmt ohne
Zögern auf Objekte zu, an die es sich im intakten Zustand niemals herangetraut
hätte.
Nun ist die Elritze aber ein Sehwarmfisch. Der Schwarm hat eine anonyme
Struktur, es gibt in ihm keine Rangordnung. Ortsbewegungen
solcher Gebilde basieren auf einfachen Formen von Synchronisation; sie
machen daher, von weitem gesehen, denselben Eindruck wie der Zeitrafferfilm
einer kriechenden Amöbe: Es entstehen Ausbuchtungen mal nach
dieser, mal nach jener Seite, bis eine von ihnen schließlich das Übergewicht
bekommt - und dann »fließt« der ganze Schwarm endgültig in die entsprechende
Richtung.
So ist es normalerweise auch bei Elritzen. Das änderte sich aber sofort,
als von HOLST den operierten Fisch zum Schwarm zurückgab. Nun war
mit einem Mal alles Zögernde aus der
Schwarmbewegung verschwunden. Und zwar
deshalb, weil das vorderhtrnlose Tier ohne jede
Ängstlichkeit einfach den Weg einschlug, nach
dem ihm zumute war, und die anderen, überwältigt
von soviel Entschlossenheit, ihm blindlings folgten.
Die Anekdote hat noch ein d.elikates Nachspiel. Auf einer Dozententagung
interessierte sich ein NSDAP-Funktionär für von HoLSTs Arbeiten;
Biologie stand damals ja hoch im Kurs. Leider beging er den Fehler, seinen
Gesprächspartner abschließend zu fragen, ob es denn bei Tieren auch
schon etwas gebe, was dem »Führer-Prinzip« entspreche. Worauf von
HOLST, der einer Konfrontation nie aus dem Wege ging, ohne Zögern und
offenbar auch recht effektvoll die Geschichte
von der Elritze erzählte und dann zu allem Überfluß
mit den Worten schloß: Und so sehe man,
daß es nur eines Hirndefektes bedürfe, um ein
Individuum zum Führer der Gruppe avancieren
zu lassen.
Das Gespräch fand in Gegenwart vieler Zuhörer
statt; der Funktionär wurde blaß und hatte
keine weiteren Fragen. Von HOLST wurde denunziert.
Es gelang ihm jedoch, sich mit vollendet gespielter
Arglosigkeit unangreifbar zu machen: Er
habe doch nur über empirische Befunde berichtet, nach denen er gefragt
worden sein. Man verwarnte ihn und ließ ihn laufen.
Aber zurück zu den Elritzen. Unter normalen Bedingungen versuchen
diese Fische nicht, einander wechselseitig zu dominieren, sondern sie organisieren
ihr Sehwarmverhalten durch Synchronisation. Von HOLST war es
nun gelungen, diese egalitäre Ordnung in eine Rangordnung zu verwandeln.
Aber nicht, indem er die Tiere oder den designierten »Führer« aggressiv
machte.
Erinnern wir uns noch einmal an die Definition von Seite 302: »Priori-
tät aufgrund der Erinnerung an das Ergebnis früherer Auseinandersetzungen
«. Das Elritzenbeispiel sollte uns zu denken geben: Vielleicht ist der
Ranghöchste gar nicht immer der Stärkste und Aggressivste, sondern der,
der die geringste Angst hat.

Dieser abschliessende Satz erinnert mich wiederum an die Hypothese, dass Psychopathen es sind, welche das Potential ausgeschöpft haben, andere zu zwingen. Und wie bei der furchtlosen Elritze geht es bei Psychopathen um auffällige Hirnregionen.

- Manche weigern sich einfach weiter zu denken
… Nach der Schwarm-Theorie würden die Menschen sich selbst zwingen, Dinge zu tun, die sie freiwillig nicht tun würden.

Und wenn eben genau das weiter gedacht wäre? Nimm den Begriff Zwang aus der Gleichung und lass jeden einzelnen Menschen freiwillig entscheiden, ob er sich seinen Mitmenschen in Polizei und Armee lieber widersetzt oder alternativ seine Schuld bezahlt, die durch Teilnahme am System Homo sapiens entsteht. Solange die ZentralMACHT als Inhaber der UrMacht darauf zählen kann, dass die Eigentümer (MASSE) der UrMacht diese nicht zurück nimmt, sprich den Gesellschaftsvertrag kündigt, solange kann eine ZentralMACHT ihr Potential auschöpfen. Tritt aber eine Kündigung in Kraft, ist es vorbei mit der ZentralMACHT, weil ihr in diesem Augenblick Polizei und Armee und somit die ZwingMACHT abhanden kommt.

Man kann den Selbstzwang aber auch wieder in die Gleichung aufnehmen und mit “Anarchie, Staat, Utopie” von Robert Nozick - den @dottore als ”Freund” bezeichnete - zur Kenntnis nehmen, dass Menschen diesen Selbstzwang nicht ohne Gegenleistung hinnehmen: Zur Schuld gesellt sich somit auch eine Forderung, es entsteht ein Vertrag zwischen Verwaltern und Verwalteten, die gemeinsam die MASSE bilden. Ob sich Schuld und Forderung die Waage halten, ist Gegenstand unzähliger Debatten, vgl. dazu auch @Jochens Beitrag im Ausklang. Dass die Ansichten darüber von Staat zu Staat variieren, ist offensichtlich und es bestätigt, dass jede SubMASSE im System der GesamtMASSE dieses Planeten eigene Wege gehen kann, solange sie von anderen SubMASSEn nicht daran behindert wird (z.B. durch KRIEGe, Sanktionen), wobei der gegenseitige Einfluss mit zunehmender Globalisierung immer stärker zum Ausdruck kommt.

Es handelt sich somit um einen Vertrag der MASSE mit sich selbst, woraus man schliessen könnte, dass …

- … die Menschen sich selbst zwingen, Dinge zu tun, die sie freiwillig nicht tun würden.

Ob der Begriff Zwang nunmehr überhaupt Sinn MACHT, wage ich zu bezweifeln:

- Was sie dazu zwingt ist die Notwendigkeit, Geld zu erwerben.

Wenn man Geld in Nahrung übersetzt, kann es sich kaum um @dottores Machtbegriff handeln, weil alle Lebewesen seit Anbeginn stets unter Zwang handeln würden. Wenn man über die Beschaffung der Nahrung hinaus denkt, kommt zwar ein gewisser Zwang ins Spiel, aber auch beiderseitige Interessen, diese Beschaffungen zu erhalten oder zu mehren, was den Zwang durchaus relativiert.

- Wer kontrolliert das Geld? Die Antwort auf diese Frage erklärt die Existenz einer Zentralmacht.

So wie man die Psychologie Einzelner nicht einfach auf die MASSEnpsychologie übertragen kann, so wenig MACHT es Sinn, individuelle Aversionen gegen die beobachtbare Staatsakzeptanz der MASSE aufzuwiegen.

”Wer kontrolliert das Geld?” Derjenige, der es ausgibt - die MASSE - oder derjenige, der es verwaltet - die ZentralMACHT? Im Supermarkt kontrolliert jeder Einzelne, wofür er Geld ausgibt. Und wenn Steuerzahltag ist, kontrolliert ebenfalls der Einzelne, ob er seinen individuellen Anteil am Gesellschaftsvertrag kündigt oder die Variante wählt, die seinen Wohlstand ohne Zusatzaufwand erhält oder mehrt. Die soziale Evolution bedient sich stetig verändernder Mittel zum immer gleichen Zweck, wie die ganz gewöhnliche Evolution auch. Mit dem Unterschied, dass wir wesentlich mehr Mittel in wesentlich kürzerer Entwicklungszeit z.V. haben, um den Zweck zu erfüllen.

Zum Ausklang ein kleine Anregung von @Jochen aus dem Jahr 2002:

aus http://www.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=102369
- In seinem Buch “Socratic Puzzles" von 1997 hat Robert Nozick sich verwundert darüber gezeigt, daß unter allen Berufsgruppen, die mit kulturellem und ökonomischen Kapital relativ gesegnet sind, ausgerechnet die Denker so ausgesprochen unzufrieden mit der Wirtschaftsordnung sind. Meinungsfreiheit, überdurchschnittliche Stundenlöhne und Einladungen zu Talkshows entgelten sie der liberalen Gesellschaft mit Attacken, schlechter Laune und Verschwörungstheorien. Nozicks Erklärung: Intellektuelle neigen dazu, mehr vom Markt zu verlangen als er ihnen geben möchte.

Die Amis auf Kurs
Grüsse
kosh

--
PS: Man tut was man kann und man kann was man tut.


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