Zwischen Fake News und Lügenpresse – Medien in der Kritik

Ostfriese, Donnerstag, 03.05.2018, 15:24 (vor 2156 Tagen) @ Sylvia3181 Views

Hallo Sylvia und Phoenix5,

ursprünglich hatte ich dieses – schon seit einige Zeit bereitstehende – Posting zum Abschluss des Fadens von @ Phoenix5 über den Kampf der Deutungshoheit in den MSM vorgesehen. Ich möchte es aber an dieser Stelle veröffentlichen und hoffe, dass es von mir mit diesem Inhalt das letzte in dem Forum sein kann – und auch ist.

Der Ausgangspunkt ist eine Podiumsdiskussion vom 6. November 2017 des Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft 'Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt' an der Universität Münster mit dem Titel 'Zwischen Fake News und Lügenpresse – Medien in der Kritik'.

https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=9185

Da man da draußen mit der Thematik der Simulationstheorie – und des Debitismus – sehr vorsichtig sein muss, hatte ich mich an der Diskussion nicht beteiligt. Stattdessen schickte ich am 10. November eine E-Mail, die ich hier einmal vollständig einstelle, mit den Inhalten, die ja von einigen Usern des Forums geteilt werden, an Dr. Nagel – Leiter des Qualitätsmanagements von ARD-Aktuell (tagesschau und tagesthemen).

Sehr geehrter Herr Dr. Nagel,

ich kann Sie beruhigen – es gibt weder eine 'Lügenpresse' noch eine 'Wahrheitspresse'!

Nicht die falsche Antwort: 'Der Regierende Bürgermeister von Berlin', die F. Egner und O. Geissen in der Sendung 'Wer weiß denn sowas?' am 9. November 2017 auf die Frage: "In welcher Position drückte Willy Brandt den Knopf für das Farbfernsehen?" gegeben haben, ist interessant, sondern, dass stellvertretend für der damalige Vizekanzler der NDR-Ingenieur Gerd Grunwald im Regiewagen außerhalb des Kongresszentrums den 'Startschuss' ausgelöst hat. Brandt drückte nur zum Schein. https://www.stern.de/digital/technik/40-jahre-farbfernsehen-bunte-revolution-auf-knopfd... Der 'Startschuss', der 'Trauermarsch' nach den Ereignissen von Charlie Hebdo http://www.spiegel.de/politik/ausland/charlie-hebdo-marsch-durch-paris-mit-staatschefs-... und die 'Idylle mit Schlagbaum' https://www.zeit.de/2014/36/zweiter-weltkrieg-beginn-foto existieren nicht in der Form, in der sie zu existieren scheinen, gleichen aber in ihrem Wesen oder ihrer Wirkung einer in dieser Form existierenden Sache. Im Sinne der Simulationstheorie von Jean Baudrillard sind es virtuelle inszenierte Events!

Die Erschaffung der 'Realität' durch die Medien führt dazu, die Zuschauer in dem Glauben zu lassen, dass das durch sie Abgebildete und Beschriebene existiere. Das bedeutet, dass die binären Gegensatzpaare wahr/falsch, sinn/sinnlos, echt/gefälscht, real/imaginär, Original/Kopie oder Ursache/Wirkung grundsätzlich nicht mehr entscheidbar sind. Baudrillard: Realität und Nicht-Realität sind ununterscheidbar und lösen sich gleichsam in der 'Generierung eines Realen ohne Ursprung oder Realität, d.h.in einer Hyperrealität' auf. Diese Unentscheidbarkeit sehen wir auch in der Unschärferelation der Quantenphysik von W. Heisenberg, in den Unvollständigkeitssätzen der Mathematik von K. Gödel und im Debitismus von Paul C. Martin (ehem. Chefredakteur der Welt am Sonntag und der Wirtschaftswoche, von 1992 bis 2000 Vize-Chefredakteur der Bild-Zeitung in Hamburg) mit der Ungewissheit in der erfolgreichen Suche von Nachschuldner im kapitalistischen Kettenbrief.

Auch die Veranstaltung am 6.11. 2017 mit ihrem Vortrag in Münster war, wie alle Medien, eine Nicht-Kommunikation – vorausgesetzt, man definiert Kommunikation als Austausch im reziproken Raum von Rede und Antwort: Die Informationen, Botschaften und Zeichen verliefen von oben nach unten. Es gibt eine nicht lösbare fundamentale Einseitigkeit der Medien im Geben und Nehmen – im Reden und Antworten. Die Massenmedien, die 'objektivierende Träger von Botschaften ohne Antwort' sind, dienen ausschließlich der System-Stabilität – sie stehen immer im Dienste des Machterhalts. Die Medien führen eine 'Rede ohne Antwort', einen Monolog der Macht, der den Empfängern jede Möglichkeit des eigenen Handelns und der eigenen Stellungnahme verweigert angesichts der Informationen, mit denen sie zugeschüttet werden. Sie sind eben Teil der Macht, die ja demjenigen gehört, der zu geben vermag und dem nicht zurückgegeben werden kann. Sie dienen dazu, die Politik massenmedial zu simulieren, sie sind das alles entscheidende Element des Herrschaftsapparates zur psychologischen Kontrolle der Massen.

In der Gewissheit, dass Ihnen die Medienphilosophie von J. Baudrillard mit der konsequenten Ablehnung der medientheoretischen Betrachtungen von B. Brecht und H. M. Enzensberger bekannt ist, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen. …

Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Blöbaum zeigt in dem Interview des weiterführenden Links, dass ihm die Simulations- und die Medientheorie von Baudrillard offensichtlich unbekannt sind.

Der Chefredakteur der 'Westfälischen Nachrichten' Dr. Norbert Tiemann betonte einerseits die Unabhängigkeit und die Freiheit der kritischen Berichterstattung in der Zeitung, andererseits wies er auf vertrauliche politische Hintergrundgespräche mit dem OB Markus Lewe – Präsident des Deutschen Städtetages – hin, über deren Inhalte er natürlich nichts sagen könne.

Ich denke, dass die politischen Hintergrundgespräche auch immer mehr die Form eines 'Briefings' annehmen, um die Berichterstattung in eine Richtung zu lenken. Das US-Militär schuf sogar 'embedded journalists', die vorher eine Zeitlang ein Spezialtraining absolvierten, das dem 'Boot Camp' – einem kurzen, aber intensiven militärischen Training – ähnelt, bevor sie in die Kampfzonen durften. Außerdem mussten sich die Reporter und deren Arbeitgeber verpflichten, einem speziellen Regelkatalog, den sogenannten 'Ground Rules', die genaue Auflagen enthielten, zuzustimmen. Wie gesagt, die Massenmedien stehen immer im Dienste des Machterhalts.

Ich bin immer wieder überrascht, wie die Zusammenhänge z. B. von G. Oettinger, D. Nuhr, N. Tiemann und W. Bosbach/C. Ströbele mit ihrem Bekenntnis "…, weil es deren Thematik ist." zur Bedeutung der Berater unbewusst und folgenlos ausgesprochen werden.

In 13 Minuten gut auf den Punkt gebracht was falsch läuft in unseren
Medien.

Das Video zeigt, dass nichts falsch läuft in unseren Medien:

"Gegenstände von Informationen sind gleichermaßen Ergebnisse einer Selektion, einer Montage, einer Filmaufnahme, sie haben die 'Realität' schon getestet und ihr nur Fragen gestellt, die ihnen 'entsprachen'. Sie haben die Realität in einfache Elemente zerlegt und sie zu Szenarios mit klaren Gegensätzen wieder zusammengefügt – genau wie der Photograph, der seinem Gegenstand Kontraste, Beleuchtung und Kamerawinkel aufzwingt … Dieser ganze Prozeß ist auseinandergerissen: der widersprüchliche Prozeß zwischen dem Wahren und dem Falschen, dem Realen und dem Imaginären wird durch die hyperreale Logik der Montage beseitigt."

Jean Baudrillard auf den Seiten 117 bis 119 seines Hauptwerkes Der symbolische Tausch und der Tod

Die Selektionsprozesse der Montagen lassen keinen Raum und vor allem keine Zeit mehr, um das Hyperreale (= die Simulation des Realen) als solches bewusst zu erkennen. Das Wissen um diese Sachverhalte würde die heutigen ausschweifenden 'Orgien der Kommunikation' (Baudrillard) vielfach überflüssig machen.

Gruß â€“ Ostfriese


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