Ich kanns wohl nicht lassen, - wieder mal ein Liebesbrief an das ZDF

helmut-1, Siebenbürgen, Montag, 30.04.2018, 12:36 (vor 2160 Tagen)4137 Views

An das ZDF
Mainz 29.4.2018

- Ihre Sendung „die Anstalt“ vom 24.4.2018

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe mir Ihre Sendung angesehen, um aktuell mitreden zu können. Eigentlich wollte ich an den verantwortlichen Redakteur resp. Regisseur schreiben, aber den konnte ich trotz intensiver Suche im Internet namentlich nicht ausfindig machen. Möglicherweise ist das eine Eigenproduktion der Darsteller, damit würde sich auch so manches erklären.

Eigentlich wollte ich die Sache als „mangelhaft“ übergehen, - da ich aber gerade heute diese Sendung wieder in 3sat zu sehen bekam, muss ich doch meinem Unmut etwas Raum geben. Für denjenigen, der sich dieser Darbietung entzogen hat, nachstehend der link, wo man das, was ich kritisiere, nachvollziehen kann:

https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-24-april-2018-100.html

Was ist mir aufgefallen:
In dieser Politsatire behandelt man ein Thema, das man aktuellerweise tatsächlich beleuchten muss. Die Themenwahl ist demnach richtig. Die Frage stellt sich, was man daraus in dieser Sendung gemacht hat.

Man muss diese Sendung von zwei Seiten aus betrachten:

- Zum einen von den Grundwerten und Zielen eines politischen Kabaretts
- Zum anderen von der Qualität der Darbietung

Die grundsätzlichen Werte eines politischen Kabaretts oder einer Politsatire bestehen darin, dass man – ohne Rücksicht auf Parteien oder politische Meinungen - die Nadelstiche überall dort ansetzt, wo sich dafür Raum bietet. In dieser Sendung hat man gezeigt, woran man sich halten muss, wenn man die politische Vorgabe „von oben“ verordnet bekommt.

In keinster Weise können Sie etwas reinbringen, was den Interessen der Regierung gegenläufig wäre. Man kann die Sache mit der Drosselung des Einkommens über H4 durch den Kaokao ziehen, wie man will, aber unter der Prämisse, dabei nur die Namen von inaktiven Politikern zu verwenden, wie z.B. Gerhard Schröder. Diejenigen, die nun neuetabliert in der Regierung sitzen, dürfen dabei nicht in ein negatives Licht gerückt werden.

Sie haben sich brav an die Vorgaben gehalten. Wie wäre das, wenn man Satire zu H4 bringt, und man würde die Vorgaben ignorieren? Dann könnte man z.B. reinbringen, dass sich der H4-Empfänger doch einen Sprachkurs in syrischer Sprache reinzieht, den Personalausweis wegwirft und sich dann als Asylbewerber bewirbt. Dann hätte man ja – im Vergleich zum „normalen H4-Empfänger“ - sein Schäfchen ja im Trockenen, was die Einkünfte betrifft.

Derlei Pointen sind Ihnen aber untersagt. Gerade zweimal haben Sie das Wort „Flüchtling“ erwähnt (27.00 und 46.45) , aber ohne jeden Zusammenhang. Niemand kann Ihnen also einen Vorwurf machen, die Vorstellungen der Regierung nicht zu berücksichtigen. Wie sehr Sie an dieser kurzen Leine hängen, erkennt man daraus, dass Sie mit wonnevoller Begeisterung auf der AfD herumhacken (28.20 und 31.50). Sie bezeichnen sogar die AfD-Wähler als ein Klientel, das den Verantwortlichen in der AfD „auf den Leim gegangen ist“. Natürlich erwähnen Sie nicht, dass die AfD mit der Einrichtung von H4 nicht in Verbindung zu bringen ist.

Wenn ich nun die Qualität der Darbietung resp. des Drehbuches betrachte, dann stelle ich fest, dass man hier auf sehr kleinem Feuer gekocht hat. Natürlich haben Sie auch gemerkt, dass man über dieses Thema, wenn man dabei gewisse Überlegungen satirischer Art nicht anstellen darf, keine 60 Minuten Politkabarett betreiben kann.

So ist es zu erklären, wenn man dann (14.30) plötzlich auf einen Klaviervortrag kommt, der von der Thematik her da gar nichts zu suchen hat. Um das Ganze noch hervorzuheben, bemüht man sich mit schmalzigem Gefühlsgedusel (15.20), ist sich aber dessen bewusst, dass man damit keinen Hund hinterm Ofen hervorlockt. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum man sich dann als Schreckmoment (oder zum Aufwachen der Zuschauer) des Trivialvokabulars bedient hat (18.10), verbunden mit entsprechender Lautstärke.

Natürlich ist es dann sehr schwer, von dieser völlig wesensfremden Thematik wieder auf H4 zu kommen, - der Übergang ist mehr als schwach (20.45).

Um zu einem abschließendem Fazit zu kommen:
Sie wissen ganz genau, was Sie bei der politischen Satire nicht bringen dürfen. Genauso wars im 3. Reich, - die Thematik so wie die politische Vorgabe war lediglich andersrum. Wenn man das politische Kabarett in der damaligen DDR unter dem SED-Regime mit dem vergleicht, was Sie da bieten, dann muss man neidlos eingestehen, dass die Akteure hinterm Stacheldraht damals mehr Mumm hatten als Sie. Obwohl bei den Aktiven damals als Damoklesschwert „Bautzen“ gewinkt hat, und bei Ihnen ist es „nur“ der Arbeitsplatz.

Dazu kommt die Oberflächlichkeit im Drehbuch sowie in der Darbietung. Natürlich gibt es heutzutage kaum mehr Leute wie Karl Farkas, Ernst Waldbrunn, Karl Valentin oder Willy Millowitsch. Oder, um beim einschlägigen politischen Kabarett zu bleiben, wie z.B. Dieter Hildebrandt. Leute, die die Dinge beim Namen nennen und noch aktiv auf der Bühne stehen, wie z.B. Urban Priol, haben bei Ihnen ja nichts zu suchen.

Durch diese Beschränkungen in der politischen Bandbreite sowie der darstellenden Qualität kann man das Ganze nur als „kläglich“ bezeichnen, was Sie da gezeigt haben. Wenn man es auf benachbarten Kanälen nicht zweimal wiederholen würde, hätte ich gar nichts dazu geschrieben, - weil die Sendung es gar nicht wert ist.

Mit freundlichen Grüßen


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