Schulden "ex nihilo" (besser ex Waffengewalt) gibt es NICHT überall...

Silke, Montag, 09.04.2018, 14:12 (vor 2209 Tagen) @ ijoe1484 Views

...sondern nur in Zentralmachtsystemen.

Lieber ijoe,

Die Punkte 1 bis 8 sind meines Erachtens nicht vollständig bzw. zu
allgemein.

Das ist aber gerade die Stärke dieses Postings.
Nicht überfrachten, sondern klipp und klar die Schuldenarten benennen - mehr nicht.

Sie erklären nicht den Unterschied zwischen
Stammesgesellschaft, Feudalismus/Sozialismus, Kapitalismus (besser:
Eigentumswirtschaft, aber Kapitalismus ist geläufiger).

Das ist auch nicht der Anspruch.

Urschuld gibt es überall.

Ja. Alle Lebewesen unterliegen einer Urschuld/ einem Urzwang - Befriedigen von Bedürfnissen, um überhaupt leben zu können.

Schulden ex nihilo gibt es auch überall. In der Stammesgesellschaft
beispielsweise durch Sitte, durch Älteste usw. Im Sozialismus Subbotnik
usw.

Nein, nur in Zentralmachtsystemen.
Schulden ex nihilo (per Androhung/Anwendung von zwingender Gewalt) gibt es in der egalitären Stammesgesellschaft nicht, da mit Konsens gearbeitet werden muss statt mit Zwang und weder Abgabe noch Tribut erwirtschaftet werden müssen.
Älteste, Häuptling und Schamane/Priester haben in egalitären Gemeinschaften keine Macht, sind keine Entscheidungsträger sondern Vermittler und Schlichter. Sie müssen sich immer wieder und für jedes Agieren Macht von der Gruppe zedieren lassen, um befristet Funktionen ausüben zu können (Funktionsautorität/Respektsperson). Macht wird hierbei nicht institutionalisiert.
Sitten, Regeln und Gebräuche werden allgemein akzeptiert und von allen gegen alles und jeden verteidigt indem Fehlleister verbannt werden. Das ist das Wesen von egalitären Wildbeutergruppen und Segmentären Gemeinschaften. Machtkonzentration wird aktiv bekämpft (Christian Sigrist und Uwe Wesel dazu lesen).
Ein Häuptlingstum ist der Übergang von segmentärer Gemeinschaft zu Hierarchie, da die Machtzession der Gruppe noch freiwillig erfolgt.
Per Zwang verhängte Abgabeschulden in Form von extern Tribut und intern Abgabe entstehen erst in Zentralmachtsystemen (Staaten) da sich in ihnen eine systemerhaltende Macht vorfinanzieren will und muss (Institut der Macht = Machthalter + Erzwingungsstab Söldner/Beamte), die das System erst erschafft und unterhält (Start mit Versprechen/Anleihe).

Kontraktschulden gab es auch in der DDR.

Nicht wirklich bzw. nur marginal.

"Der Sozialismus spielt keine Rolle, da der Debitismus den kapitalistischen und nicht den sozialistischen Prozess zu erklären versucht."
@dottore

DDR war übelste Planwirtschaft, die mit Ukas gearbeitet hat und kein Staat, der sich mit Anleihen gegenüber intern/extern verschulden konnte weil er sich die Beleihungsgrundlage entzogen hat – Verzicht auf umfassende Besteuerung.
Eine Diktatur (des Proletariates) arbeitet nur mit Entlastung der Diktatoren (Arbeiterklasse und ihr Dunstkreis) gegen die Diktierten (Unternehmer, Selbständige, Autarkie/Autonomie anstrebende Menschen).
Lässt ein Staat kein Privateigentum zu und verweigert damit Machtzession kann kein Machtkreislauf installiert werden und er bricht relativ schnell nicht konkurrenzfähig zusammen wenn keine Kredite mehr vom "Klassenfeind" (BRD)gewährt werden oder keine Leistungen von den "Waffenbrüdern" (UdSSR) erzwungen werden können = Substanz verbrauchen, Verwaltung des Mangels, fehlende Produktivität/Konkurrenzfähigkät auf den Weltmärkten.

Religiöse Schulden: überall.

Nur dann, wenn Abgaben im weitesten Sinne geleistet werden müssen (Gebete/Rituale/Opfergaben um die Religionsverbreiter/-durchsetzer in ihren Tempeln, Kirchen und Kapellen durchzufüttern).
Wer nur ohne Leistungszwang religiös gegen ein Gott genanntes Phänomen eingestellt ist wird nicht entsprechend von Profiteuren ausgerichtet und eingebunden.
In Sumer, Ägypten und anderen Hochkulturen haben die Priester die Vertretung eines mächtigen Gottes für sich proklamiert, um Angaben abzupressen.

Ich würde ergänzen, dass nur in der Eigentumswirtschaft auch
tatsächlich gewirtschaftet, in den anderen Gesellschaftsformen lediglich
produziert wird.

Nicht nur.
Wir unterscheiden Eigentumswirtschaft (wie in Sumer, griechisch/römisch und im modernen "Kapital"ismus) und Zentralverwaltungswirtschaft wie im Feudalismus/Sozialismus.
In beiden wird gewirtschaftet (per Eigentumsökonomie oder per Plan und Dekret).
Der Begriff "wirtschaften" wird oft nicht gut differenziert verwendet (Tätigkeit des oikonomos, des Haushälters = Staat).
Eine Subsistenz“wirtschaft“ und Tausch“wirtschaft“ gibt es nicht.
Fragwürdige Definitionen klammern sich an die Tauschtheorie, verweigern eine historisch-systemische Betrachtung und sind damit falsch, z.B.
Wikipedia:
"Wirtschaft oder Ökonomie ist die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse dienen. Zu den wirtschaftlichen Einrichtungen gehören Unternehmen, private und öffentliche Haushalte, zu den Handlungen des Wirtschaftens Herstellung, Absatz, Tausch, Konsum, Umlauf, Verteilung und Recycling/Entsorgung von Gütern."
oder nach Gabler:
"Die Wirtschaft, auch Ökonomie genannt, besteht aus Einrichtungen, Maschinen und Personen, die Angebot und Nachfrage generieren und regulieren. Einrichtungen sind Unternehmen bzw. Betriebe und Haushalte. Maschinen unterstützen und ersetzen auf Produktion, Transformation, Konsumation und Distribution von Gütern zielende Aktivitäten von Arbeitskräften, Mittelsmännern und Endkunden. Diese erhalten oder entrichten Geld für Erstellung, Vermittlung und Anforderung respektive Erwerb oder tauschen ihre Eigentümer und Leistungen aus."

Darum geht es eben gerade nicht in einer Wirtschaft sondern um eine (altgriech. οἰkονομία, das aus oikos (‚Haus‘, ‚Haushalt‘) und nemein (‚zuweisen‘/‚einteilen‘)
Zuweisung/Einteilung in einem Zentralmachtsystem, also Machtausübung nach Machtnahme bei und zum Machterhalt.

Das Posting von @dottore ist komplett richtig und bedarf keiner Anmerkung. Nähere Erklärungen finden sich haufenweise in Sammlung, EWF und DGF.

Liebe Grüße
Silke


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung