Perfides Albion: lügen muss man können

Weiner, Samstag, 24.03.2018, 11:57 (vor 2224 Tagen) @ Weiner3800 Views

Guten Tag!

Ich habe mir nochmals die Formulierungen rausgesucht, mit denen London die Welt glauben machen will, dass Russland in Salisbury einen Giftangriff auf das Vereinigte Königreich gefahren habe:

“It is now clear that Mr Skripal and his daughter were poisoned with a military-grade nerve agent of a type developed by Russia."
“The government has concluded that it is highly likely that Russia was responsible for the attack."

Soweit PM Mrs May vor dem Parliament. Der Deutschen Welle (DW) hat Boris Johnson (BJ) ein Interview gegeben:

DW: You argue that the source of this nerve agent, Novichok, is Russia. How did you manage to find it out so quickly? Does Britain possess samples of it?

BJ: Let me be clear with you … When I look at the evidence, I mean the people from Porton Down, the laboratory …

DW: So they have the samples …

BJ: They do.

[Quelle: http://www.dw.com/en/boris-johnson-russias-position-in-skripal-case-is-increasingly-biz... ]

Hier kommt also raus, dass man 8 km entfernt von Salisbury selbst 'Proben' dieses Giftes habe.

Weil Skripal und seine Tochter im Koma liegen, braucht es einen Gerichtsbeschluss, damit die OPCW (Int. Org. Verbot chem. Waffen) Blutproben von den beiden nehmen darf. Dazu gab es eine Verhandlung vor dem Royal Court, deren Ergebnis veröffentlich wurde (zu finden bei https://www.craigmurray.org.uk/). Ein Mitarbeiter der Labors in Porton Down bezeugt:

"Blood samples from Sergei Skripal and Yulia Skripal were analysed and the findings indicated exposure to a nerve agent or related compound. The samples tested positive for the presence of a Novichok class nerve agent or a closely related agent." (Markierungen von mir).

Wenn man es nun zusammenfasst, so sagen die Briten nirgendwo etwas Falsches. Die Formulierungen sind sehr vorsichtig und mehrdeutig und lassen verschiedene Auslegungen zu. Die britische Kunst besteht darin, dass man gleich anschließend eine ganz bestimmte Interpretation dieser Kernformulierungen inszeniert. Am Ende muss der Hörer die Entscheidung treffen. Und das tut er wohl überwiegend, indem er der Inszenierung folgt.

Wir hatten dieselbe Situation, die für ein gewisses Verhalten von England überaus typisch ist, vor dem Ersten Weltkrieg und vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Briten hatten diese beiden Kriege mindestens ebenso aktiv herbeigewerkelt wie die Deutschen. Sie waren aber im entscheidenden Moment diplomatisch absolut überlegen, indem sie erfolgreich gezögert und sich gewunden haben - und den verschiedenen Akteuren (in den Botschaften Europas) immer mehrdeutige Formulierungen übergaben. Bis den Deutschen, die damit offenbar nicht zurechtkamen, der Kragen geplatzt ist. Und seither sind wir schuld.

Heute erstaunen in der ganzen Sache zwei Dinge. Erstens die unglaubliche Geschlossenheit, mit der sich dieselben europäischen Staaten hinter Großbritannien stellen, das doch eben gerade durch seinen Austritt die ganze EU aufwühlt. Sind die Europäer tatsächlich so blöde, haben sie so wenig historische Kenntnis - oder stehen sie unter einem 'unbekannten' Handlungszwang, den die Briten noch viel perfekter umsetzen und verkörpern, insofern sie hier ja eine aktive und führende Rolle haben? Wie kann man sich so zum Spielball der Briten machen lassen?

Und das zweite ist die heute offene Information. Wenn man ein paar Stunden Mühe aufwendet, so findet man alles irgendwo im Internet oder in Bibliotheken, jedermann frei zugänglich. Das Larvieren der Briten vor Kriegsausbruch 1914 und 1939 war nur ganz wenigen Leuten bekannt, und es hat Jahre gedauert, bis die wahren Abläufe an die Öffentlichkeit kamen (wenigstens soweit, dass jeder sich ein eigenes Urteil bilden kann). Heute dagegen ist innerhalb weniger Stunden oder Tage ein Sachverhalt aufklärbar. Und dennoch rennt die Welt offenbar genauso blind in ihr Schicksal wie im letzten Jahrhundert.

Wir sehen die Dinge, aber nehmen sie doch nicht mehr wahr. So ist die Wahrheit vermutlich nicht eine selbstverständliche objektive Sache, sondern eine Leistung der Erkenntnis. Die Erkenntnis macht sich aber nur auf den Weg, wenn es eine Frage für sie gibt. Und sie kommt nur ans Ziel, wenn sie den ganzen Weg entlang kritisch bleibt.

Philosophiert Weiner

*) Die beste mir bekannte Aufarbeitung des ganzen Schauspiels findet sich auf der allgemein sehr empfehlenwerten Webseite (vor allem zu Syrien) http://www.moonofalabama.org/ Dort wird auch angedeutet, wer sonst noch derartige Nervengifte herstellen kann. Es ist wohl wie mit dem Anthrax 2001.

Für die Entlassung von McMaster wird auf dieser Webseite folgender Hintergrund gegeben: Trump habe, der diplomatischen Gepflogenheit folgend, Putin zu seinem Wahlerfolg gratulieren wollen. McMaster habe ihm davon abgeraten, was aber von Trump nicht befolgt wurde. Gleichzeitig wurde diese Empfehlung von McMaster publik gemacht, was andere politische Lager sofort ausschlachteten, Trump aber erzürnt haben soll. Es war wohl nur der äußere Anlass.


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