Die Ewige Wiederkunft des Gleichen

Phoenix5, Sonntag, 18.03.2018, 12:26 (vor 2231 Tagen) @ Rybezahl3520 Views

»Halt! Zwerg!« sprach ich. »Ich! Oder du! Ich aber bin der Stärkere
von uns beiden –: du kennst meinen abgründlichen Gedanken nicht! Den –
könntest du nicht tragen!« –
Da geschah, was mich leichter machte: denn der Zwerg sprang mir von der
Schulter, der Neugierige! Und er hockte sich auf einen Stein vor mich hin.
Es war aber gerade da ein Torweg, wo wir hielten.
»Siehe diesen Torweg! Zwerg!« sprach ich weiter: »der hat zwei
Gesichter. Zwei Wege kommen hier zusammen: die ging noch niemand zu Ende.
Diese lange Gasse zurück: die währt eine Ewigkeit. Und jene lang Gasse
hinaus – das ist eine andre Ewigkeit.
Sie widersprechen sich, diese Wege; sie stoßen sich gerade vor den Kopf-
und hier, an diesem Torwege, ist es, wo sie zusammenkommen. Der Name des
Torwegs steht oben geschrieben: ›Augenblick‹.
Aber wer einen von ihnen weiter ginge – und immer weiter und immer
ferner: glaubst du, Zwerg, daß diese Wege sich ewig widersprechen?« –
»Alles Gerade lügt«, murmelte verächtlich der Zwerg. »Alle Wahrheit
ist krumm, die Zeit selber ist ein Kreis.«
»Du Geist der Schwere!« sprach ich zürnend, »mache dir es nicht zu
leicht! Oder ich lasse dich hocken, wo du hockst, Lahmfuß, – und ich
trug dich hoch!
Siehe, sprach ich weiter, diesen Augenblick! Von diesem Torwege Augenblick
läuft eine lange ewige Gasse rückwärts: hinter uns liegt eine
Ewigkeit.[408]
Muß nicht, was laufen kann von allen Dingen, schon einmal diese Gasse
gelaufen sein? Muß nicht, was geschehn kann von allen Dingen, schon einmal
geschehn, getan, vorübergelaufen sein?
Und wenn alles schon dagewesen ist: was hältst du Zwerg von diesem
Augenblick? Muß auch dieser Torweg nicht schon – dagewesen sein?
Und sind nicht solchermaßen fest alle Dinge verknotet, daß dieser
Augenblick alle kommenden Dinge nach sich zieht? Also – – sich selber
noch?
Denn, was laufen kann von allen Dingen: auch in dieser langen Gasse hinaus
– muß es einmal noch laufen! –
Und diese langsame Spinne, die im Mondscheine kriecht, und dieser
Mondschein selber, und ich und du im Torwege, zusammen flüsternd, von
ewigen Dingen flüsternd – müssen wir nicht alle schon dagewesen sein?
– und wiederkommen und in jener anderen Gasse laufen, hinaus, vor uns,
in dieser langen schaurigen Gasse – müssen wir nicht ewig wiederkommen?
–«
Also redete ich, und immer leiser: denn ich fürchtete mich vor meinen
eignen Gedanken und Hintergedanken. Da, plötzlich, hörte ich einen Hund
nahe heulen.

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Also+sprach+Zarathustra/Dritter+...


Danke Rybezahl - sehr schöner Text von der Nietzscheanischen Ewigen Wiederkunft, aus dem er das große "Ja"-Sagen ableitete. Von Albert Camus gibt es das Buch "Der Mythos des Sisyphos". Camus hat es geschafft Nietzsches Gedanken in eine moderne Sprache zu übersetzen. Ein äußerst empfehlenswertes Buch mit der Quintessenz: Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen.

Beste Grüße
Phoenix5


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