Über den Mitleidenskrampf

Mephistopheles, Sonntag, 18.03.2018, 06:35 (vor 2202 Tagen) @ Oblomow2771 Views

Guten Tag,

der eine ist eben völlig zerfetzt, der andere verliert ein Bein, Arm,
Fuß oder ein paar Organe, der andere wird blind, taub. Manche verdampfen
einfach und andere wiederum schreien ihr ganzes Leben vor Schmerz. Viele
töten sich selbst und hängen sich auf oder schießen sich ne Kugel in die
Birne. Manche nehmen auch ne Wumme und löschen Familien aus. Manche
verlieren ihren Vater oder Mutter, Kinder werden auch an die Wand
geklatscht oder gleich in Stücke geschnitten. Manche werden so lange
vergewaltigt bis sie vergessen, wer sie sind, dann werden diese und jene
gefoltert, dass man sich fragt, wie der gute Mensch nur auf sowas kommt.
Mannomann, man kann da vielleicht Schmerzen schaffen. Da werden die
Menschen kreativ wie Picasso. Ich würde eigentlich, summasummarum lieber
zu den Tätern gehören als zu den Opfern, weil ich da eben lebe und nicht
tot bin, wünsche mir aber von Herzen, dass weder das eine wie das andere
eintreten wird, denn ich werde wohl eher zu den Obengenannten gehören,
selbst wenn ich den Krieg wie manche hier im Forum alleine durch
Luftananhalten oder durch total viel Engagement verhindere. Muss mal wieder
die Goya-Stiche rauskramen über den Krieg, den nicht die Amis, sondern die
Franzosen nach Spanien trugen, um denen die Menschenrechte und Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit (bei)zubringen.

Herzlich
Oblomow

Ein Mann, der sagt: »das gefällt mir, das nehme ich zu eigen und will es schützen und gegen jedermann verteidigen«; ein Mann, der eine Sache führen, einen Entschluß durchführen, einem Gedanken Treue wahren, ein Weib festhalten, einen Verwegenen strafen und niederwerfen kann; ein Mann, der seinen Zorn und sein Schwert hat, und dem die Schwachen, Leidenden, Bedrängten auch die Tiere gern zufallen und von Natur zugehören, kurz ein Mann, der von Natur Herr ist – wenn ein solcher Mann Mitleiden hat, nun! dies Mitleiden hat Wert! Aber was liegt am Mitleiden derer, welche leiden! Oder derer, welche gar Mitleiden predigen! Es gibt heute fast überall in Europa eine krankhafte Empfindlichkeit und Reizbarkeit für Schmerz, insgleichen eine widrige Unenthaltsamkeit in der Klage, eine Verzärtlichung, welche sich mit Religion und philosophischem Krimskrams zu etwas Höherem aufputzen möchte – es gibt einen förmlichen Kultus des Leidens. Die Unmännlichkeit dessen, was in solchen Schwärmerkreisen »Mitleid« getauft wird, springt, wie ich meine, immer zuerst in die Augen. – Man muß diese neueste Art des schlechten Geschmacks kräftig und gründlich in den Bann tun; und ich wünsche endlich, daß man das gute Amulett »gai saber« sich dagegen um Herz und Hals lege – »fröhliche Wissenschaft«, um es den Deutschen zu verdeutlichen.

Zufallsfund bei meiner morgendlichen dysangelischen Andachtslektüre. Ich denke, ein Magister Ludi findet die Quelle selbst heraus.

Gruß Mephistopheles


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