"Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit."

Phoenix5, Mittwoch, 14.03.2018, 16:42 (vor 2233 Tagen) @ Mephistopheles5340 Views
bearbeitet von unbekannt, Mittwoch, 14.03.2018, 16:57

Hallo Mephistopheles!

Als ich den Zarathustra mit 16 zum ersten Mal las, da war ich fasziniert von der Kraft der Worte, verstand aber nichts (auch wenn ich damals Gegenteiliges dachte). Als ich ihn Mitte Zwanzig zum zweiten Mal las, hatte ich eine vage Ahnung, was er bedeuten könnte. Erst als ich den großen Nietzsche-Verehrer Oswald Spengler las, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Zwar sehe ich in Nietzsches Wettern gegen die (christliche) Moral, das Sittliche und Gute als Bremsklotz der Menschheit auf dem Weg zum Übermenschen einen Widerspruch, da die (patriarchale) Moral ja notwendiges Durchgangsstadium sein muss für die Vergeistigung des Menschen - Tiere und instinktgesteuerte (Stammes-)Menschen können Nietzsches Ideal wohl kaum gerecht werden, aber sein intuitiver (da philosophisch eigentlich nicht hergeleiter) Weitblick war dennoch mehr als erstaunlich.

Wie konnte er nur....Uns und unsere Zeit so genau voraussagen? Jeder Satz
ist eine Beschreibung des JETZT, das es damals noch nicht gab.

"Die Existenz-Bedingung der Guten ist die Lüge –: anders ausgedrückt, das Nicht-sehn-Wollen um jeden Preis, wie im Grunde die Realität beschaffen ist, nämlich nicht derart, um jederzeit wohlwollende Instinkte herauszufordern, noch weniger derart, um sich ein Eingreifen von kurzsichtigen gutmütigen Händen jederzeit gefallen zu lassen. Die Notstände aller Art überhaupt als Einwand, als etwas, das man abschaffen muß, betrachten, ist die niaiserie par excellence, ins große gerechnet, ein wahres Unheil in seinen Folgen, ein Schicksal von Dummheit –, beinahe so dumm, als es der Wille wäre, das schlechte Wetter abzuschaffen..."

Und Nietzsche wusste, dass die Zeit, wo er der Mund für die Ohren der Menschheit werden würde, noch weit in der Zukunft liegt und dass er zuvor gar nicht verstanden werden würde. Auch wenn man im übersteigerten Narzissmus von "Ecce Homo" bereits die ersten Anzeichen seiner geistigen Umnachtung spüren kann, wird er damit wohl recht behalten:

"Ich kenne mein Los. Es wird sich einmal an meinen Namen die Erinnerung an etwas Ungeheures anknüpfen – an eine Krisis, wie es keine auf Erden gab, an die tiefste Gewissens-Kollision, an eine Entscheidung, heraufbeschworen gegen alles, was bis dahin geglaubt, gefordert, geheiligt worden war. Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit [...] Mit alledem bin ich notwendig auch der Mensch des Verhängnisses. Denn wenn die Wahrheit mit der Lüge von Jahrtausenden in Kampf tritt, werden wir Erschütterungen haben, einen Krampf von Erdbeben, eine Versetzung von Berg und Tal, wie dergleichen nie geträumt worden ist. Der Begriff Politik ist dann gänzlich in einen Geisterkrieg aufgegangen, alle Machtgebilde der alten Gesellschaft sind in die Luft gesprengt – sie ruhen allesamt auf der Lüge: es wird Kriege geben, wie es noch keine auf Erden gegeben hat. Erst von mir an gibt es auf Erden große Politik. –"


Beste Grüße
Phoenix5


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