Diskussion von Tichy zu den Bundestagswahlen 2005, 2013 und 2017

Vatapitta, Donnerstag, 01.03.2018, 12:34 (vor 2242 Tagen) @ Vatapitta1673 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 01.03.2018, 12:38

Moin moin,

am Ende des langen Berichtes von Tichy gibt es eine Zusammenfassung der Auffälligkeiten.

Zitat: "Diskussion

Ausgehend von Ereignissen bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich, untersuchten wir in diesem Artikel, ob es Anzeichen für mögliche Wahlfälschung auch bei Briefwahlen in Deutschland gibt. Wahlfälschung scheint bei Briefwahlstimmen viel einfacher möglich als bei Urnenwahlstimmen, da es wesentlich mehr Zeit und damit mehr Gelegenheit gibt, Wahlbriefe zu manipulieren. Außerdem wird die Identität von Briefwählern nicht wie bei der Urnenwahl überprüft. Während in den meisten Wahllokalen zwar nicht der Ausweis des Urnenwählers überprüft wird, so würde es möglicherweise auffallen, wenn dieselbe Person mehrfach wählt. Bei der Briefwahl gibt es diese zusätzliche Prüfung nicht. Wir analysierten daher den Unterschied von Briefwahlergebnissen und von Urnenwahlergebnissen bei bisherigen Bundestagswahlen und der letzten Europawahl.

Die wichtigsten Kennzahlen, die wir dabei definierten, basieren auf dem Briefwahlstimmenanteil von Parteien und wie sich dieser unterscheidet vom Briefwahlstimmenanteil der gesamten Wahl. Über die Jahre gibt es eine immer größere Anzahl an Briefwählern. Der Anteil der Briefwahlstimmen an der Gesamtzahl der Parteien sollte daher für alle Parteien ähnlich ansteigen und die Abweichung sollten über die Jahre hinweg ungefähr gleich bleiben, da alle wichtigen Parteien eine sehr hohe Diversität ihrer Wählerschaft haben.

Ist dies für eine Partei oder für eine Wahl nicht der Fall, so werten wir dies als auffällig und es könnte eventuell ein Indiz dafür sein, dass es Manipulationen bei den Briefwahlstimmen gab. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Kennzahlen immer und unvermeidlich eine Vereinfachung oftmals sehr komplexer Prozesse darstellen. So ist es auch im Falle der Briefwahl, die für jeden einzelnen von sehr individuellen Entscheidungen und Faktoren beeinflusst wird. Aggregiert über Millionen von Wählern lassen sich dadurch allerdings langjährige Trends und vor allem Abweichungen von langjährigen Trends erkennen.

Von den neun verschiedenen Wahlen, die wir untersuchten, gab es dabei zwei Auffälligkeiten, die im langjährigen Vergleich sehr stark herausstechen. Zum einen ist dies die Bundestagswahl 2005, bei der die CDU einen ungewöhnlichen Anstieg an Briefwahlstimmen hatte und die bei fast allen Parteien eine Umkehr des langjährigen Trends auslösten. Für die hohe Anzahl an Briefwahlstimmen der CDU sind praktisch alle alten Bundesländer verantwortlich, insbesondere aber Nordrhein Westfalen. Als Konsequenz dieser ungewöhnlich hohen Anzahl an Briefwahlstimmen für die CDU wurde Angela Merkel Bundeskanzlerin und nicht Gerhard Schröder.

Die zweite Auffälligkeit sind die Briefwahlstimmen der AfD bei den Bundestagswahlen 2013 und 2017 sowie der Europawahl 2014. Im langjährigen Trend verlieren die SPD und die Linken bei jeder Wahl Stimmanteile durch die Briefwahl. Dies liegt sehr wahrscheinlich daran, dass deren Wählerschaft traditionell eher seltener per Brief wählt und die Urnenwahl eindeutig bevorzugt. Betrachtet man nur die Bundestagswahlen 2013 und 2017, so könnte man meinen, dass die AfD-Wählerschaft derselben Demographie angehört wie die von SPD und Linken, obwohl sie politisch sehr weit voneinander entfernt sind. Bei den Bundestagswahlen verlor die AfD beides Mal sehr stark durch die Briefwahl, 2017 sogar der größte Verlust von allen Parteien über die 9 betrachteten Wahlen. Was allerdings sehr stark auffällig ist und einmalig im betrachteten Zeitraum, ist die Tatsache, dass die AfD bei der Europawahl 2014 bei der Briefwahl überdurchschnittlich gut abgeschnitten hat. Es ist also eindeutig nicht der Fall, dass AfD Wähler ähnlich SPD und Linkenwählern wesentlich seltener die Briefwahl in Anspruch nehmen als der Durchschnitt der Wähler. Es muss also eine andere Erklärung dafür geben – und Wahlmanipulation bei der Briefwahl ist eine mögliche Erklärung dafür.

Die schlechten Briefwahlergebnisse der AfD hatten ebenfalls eine relativ große Auswirkung. Bei der Bundestagswahl 2013 verpasste die AfD dadurch knapp den Einzug in den Bundestag. Bei der Bundestagswahl 2017 zog die AfD zwar sicher in den Bundestag ein, verpasste aber durch das schlechte Briefwahlergebnis knapp die notwendige Sitzanzahl, um mit einer anderen Oppositionspartei gemeinsam einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss oder eine Normenkontrollklage zu erzwingen. Es gibt daher also nicht nur Indizien, sondern auch ein Motiv für eine mögliche Wahlfälschung.

Während sich das genannte Motiv bei der Bundestagswahl 2017 nach einer gesteuerten und bewussten Manipulation anhört, scheint dies doch sehr unwahrscheinlich und ist wohl eher eine zufällige Konsequenz des Wahlergebnisses. Schaut man sich die öffentliche Wahrnehmung und Berichterstattung über die AfD an, so gibt es andere, wesentlich wahrscheinlichere Gründe für eine mögliche Wahlmanipulation: Es ist ziemlich offensichtlich, dass die AfD von den etablierten Parteien und vielen Medien abgelehnt und jegliche politische Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen wird. In einer solchen Atmosphäre wäre es nicht sehr verwunderlich, wenn es einige der an der Wahlauszählung beteiligten Personen als ihre “staatsbürgerliche Pflicht“ ansehen würden, die Stimmen der AfD falsch auszuzählen, um so ein Erstarken der AfD zu verhindern. Wie bereits diskutiert wäre eine solche Manipulation aus verschiedenen Gründen bei der Briefwahl wesentlich einfacher möglich als bei der Urnenwahl. Sollte es genügend Beteiligte geben, die so denken und handeln, so könnte dies die sehr schlechten Briefwahlergebnisse der AfD bei den Bundestagswahlen im Vergleich zum guten Briefwahlergebnis bei der Europawahl erklären, ohne dass es irgendwelcher Absprachen, einer Verschwörung, oder sonstiger geplanter Manipulation bedarf.

Während es also signifikante Unterschiede zwischen den beiden entdeckten Unstimmigkeiten gibt, so ist eine Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen die notwendigen Daten zur näheren Analyse nicht auf der Webseite des Bundeswahlleiters verfügbar sind. Im Gegensatz zu den zwei folgenden Bundestagswahlen ist für die Bundestagswahl 2005 eine Auflistung in Briefwahl und Urnenwahlstimmen auf Wahlkreisebene auf der Webseite des Bundeswahlleiters nicht verfügbar. Diese wurde aber auf Nachfrage beim Bundeswahlleiter zur Verfügung gestellt [12,13]. Eine genauere Analyse der Europawahl, bei der es keine nennenswerten Gründe zur Wahlfälschung gibt und die sich daher gut zur Überprüfung von Trends eignet, wird dadurch erschwert, dass die AfD bei der Europawahl nur unter Sonstigen Parteien aufgeführt ist. Daher ist eine Auf- schlüsselung in Briefwahl und Urnenwahl bei der AfD weder auf Wahlkreisebene noch auf Landesebene öffentlich verfügbar. Dies ist erstaunlich, da die AfD über 7% der Stimmen bekam, noch vor der FDP und der CSU, die beide einzeln aufgeführt werden. Die Aufschlüsselung in Prozent auf Bundesebene findet sich jedoch gut versteckt in einem anderen Dokument des Statistischen Bundesamts. Nur durch dieses Dokument konnte diese enorme Auffälligkeit überhaupt entdeckt und weiterverfolgt werden. Auf Nachfrage beim Bundeswahlleiter wurde aber ebenfalls ein Dokument mit einer detaillierten Auflistung in Briefwahl und Urnenwahl auf Wahlkreisebene zur Verfügung gestellt [14], das die gefundenen Auffälligkeiten bestätigt.

Daher stellt sich die Frage nach der Gesetzgebung und welche Daten laut Gesetz veröffentlicht werden müssen. So ist weder in der Bundeswahlordnung (BWO §79(1)) [18] noch in der Europawahlordnung (EuWO §72(1)) [19] die separate Auflistung nach Briefwahlstimmen und Urnenwahlstimmen vorgesehen, nicht auf Wahlkreisebene, nicht auf Landesebene und nicht einmal auf Bundesebene. Auf Nachfrage beim Bundeswahlleiter wurde mitgeteilt, dass die entsprechenden Daten für die Bundestagswahl 2017 Ende Januar/Anfang Februar 2018 auf der Webseite des Bundeswahlleiters veröffentlicht werden [17], also mehr als 4 Monate nach der Wahl. Laut Wahlprüfungsgesetz endet die Möglichkeit eines Einspruchs zur Wahl aber 2 Monate nach der Wahl (WahlPrG §2(4)) [18], es gibt also keine Möglichkeit basierend auf eventuellen Unstimmigkeiten bei der Briefwahl, Einspruch gegen das Wahlergebnis einzulegen. Dies, obwohl wie oben diskutiert, de Briefwahl die meisten Gelegenheiten zur Wahlmanipulation bietet.

Wenn sich unsere Befunde etwas nach Stoff für Verschwörungstheorien anhören, liegt dies mit daran, dass entscheidende Informationen, die ganz offensichtlich intern verfügbar sind, nicht sofort oder gar nicht veröffentlicht werden. Es sollte selbstverständlich sein, dass wie in anderen demokratischen Ländern auch (z.B. in Österreich, siehe [10]), direkt im Anschluss an eine Wahl die kompletten Wahlergebnisse veröffentlicht werden. Das heißt inklusive der Unterscheidung in Brief und Urnenwahl für alle Parteien und für alle Wahlkreise und in maschinenlesbarer Form.

Dass diese wichtigen Informationen nicht verfügbar sind, oder zum Teil erst Jahre nach einer Wahl veröffentlicht werden, macht eine Manipulation der Wahlergeb- nisse und insbesondere der Briefwahlstimmen möglich, bzw. hilft es, diese zu verschleiern. Wir behaupten hier nicht, dass eine Wahlfälschung tatsächlich stattgefunden hat, sondern liefern lediglich Indizien, dass es statistische Auffälligkeiten gab, die dem langjährigen Trend zum Briefwahlverhalten stark widersprechen. Wie bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich, sind es solche Indizien die ein Aufdecken von Manipuationen erst ermöglichen.

Die hier beschriebenen Auffälligkeiten sollten daher von Experten näher untersucht und erklärt werden, um den Verdacht einer möglichen Wahlmanipulation zu entkräften und in Zukunft zu verhindern. Sollte sich herausstellen, dass eine ehrliche und faire Auszählung im derzeitigen stark polarisierten gesellschaftlichen Klima nicht garantiert werden kann, so muss darüber nachgedacht werden, modernere und sicherere Wahl- und Auszählverfahren zu verwenden. Des Weiteren sollte die Wahlordnung unbedingt dahingehend geändert werden, dass die kompletten Wahlergebnisse aufgeschlüsselt nach Briefwahl und Urnenwahl auf Wahlkreisebene zeitnah veröffentlicht werden müssen.

Wenn Wahlen nicht transparent und überprüfbar sind und Wahlergebnisse, ohne entdeckt zu werden, manipulierbar sind, dann stellt sich die Frage nach dem Sinn einer Wahl. Aber wie wir gerade selbst erleben können, hat eine Wahl bei der das Ergebnis “nicht stimmt“ sowieso keine Bedeutung: die bisherige Regierung macht auf unabsehbare Zeit einfach weiter als hätte es nie eine Wahl gegeben." Zitat Ende


Vielleicht mag der ein oder andere die journalistische Arbeit von Herrn Tichy durch eine Spende unterstützen. Seine Recherchen werfen nicht nur Fragen auf, sondern sollten zu Änderungen des Wahlgesetzes führen.

Die entsprechende Abstimmung darüber im Bundestag könnte aufschlussreich sein.

Die Hinweise von @Fidel zeigen die weitreichenden Konsequenzen des Wahlausganges 2005.
Möglicherweise wäre uns Frau Merkel erspart geblieben.


Viele Grüße
Vatapitta

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Chronisch sind die Schmerzen dann, wenn der Doktor sie nicht heilen kann. http://www.liebscher-bracht.com/


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