An der Schwelle zu einer neuen Zeit?

Weiner, Sonntag, 11.02.2018, 21:04 (vor 2259 Tagen) @ Andudu3496 Views

Hallo Andudu!

Bei der Spaltung von Wasser (egal ob elektrolytisch, thermolytisch oder wie auch immer) entstehen zuerst die Radikale O- und OH+, später das zweite O- und dann (in der Summe) zwei (bzw. vier) H+. Diese Ionen sind nicht stabil, und wenn sie nicht sofort zurück zu Wasser reagieren können, landen sie bei H2 und O2. Dabei wird wieder etwas Energie frei (energetisch niedrige Edelgaskonfiguration aus der äußersten Elektronenschale), und wollte man diese beiden molekularen Gase in eine Verbrennung einschleußen (erneut wieder zurück zu Wasser oder etwa in die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen), dann muss man die H-H-Bindung bzw. die O-O-Bindung wieder aufbrechen. Das kann nur durch neuen Energieaufwand geschehen.

Deswegen trachten diejenigen, die mit Wasserstoff experimentieren, nach einer möglichst langen Aufrechterhaltung von H+ und O- als atomare Gase. Das ist sehr schwierig, aber es gibt durchaus einige Tricks. Alles Betriebsgeheimnis, und um sich abzugrenzen vergibt man dann neue Namen wie "Browns-Gas" oder "Hypergas". Ein bißchen kann man aber hier verraten, was hinter solchen Konzepten steht. Beispielsweise haben bestimmte Arten von Wassertröpfchen an ihrer Oberfläche negative Ladungsschichten (Wasser ist ein Dipol ...), an die sich H+ anlagern könnten, was dessen Lebensdauer verlängert. Oder man bietet den H+ die Oberflächen anderer Materialien an, an die sie sich vorübergehend binden können. Oder man stabilsiert das H+ durch extern bereitsgestellte elektrische sowie magnetische Felder (könnte man dann so ungefähr als 'Kaltes Plasma' bezeichnen).

Gelingt die Stabilisierung von H+ und O- als atomare Gase, dann hat man einige Optionen in der Hand, sei es bei Verbrennungsprozessen (zur Kraftstoffeinsparung, auch weniger Schadstoffe im Abgas), sei es beim Schweißen, das Du erwähnt hast. Im letzteren Falle kann man relativ hohe Temperaturen erzielen, manchmal sogar Eisen an Steine 'kleben'. Aber das erfordert hohe Kunstfertigkeit und macht nur in Ausnahmefällen Sinn. Es ist außerdem auch erkauft mit Nebenwirkungen (Versprödung von Nahtstellen bei Wasserstoffüberschuss in der Flamme etc. etc.).

Nun zu Deiner Ausgangsfrage: Wenn H und O im (stöchiometrisch) richtigen Volumenverhältnis vorliegen, dann hat das bei der Verbrennung entstehende Wasser als Endprodukt selbstverständlich ein geringeres Volumen als die Ausgangsstoffe, die ja in der Regel gasförmig vorliegen. Wenn es Dir nun gelänge, die Ausgangsgase in einem extrem stabilen Gefäß zu verbrennen, das erst dem Explosionsdruck, dann dem Vakuumunterdruck standhält und die Wärme schnell und komplett nach außen ableitet, dann kannst Du tatsächlich eine kontrollierte Implosion beobachten. In der Regel aber ist die bei der Verbrennungsreaktion freigesetzte Energie so groß, das Gefässe, Gase und die umgebende Atmosphäre von einer Explosion ergriffen werden (das dabei entstehende Wasser gerät mithin in eine Dampfexplosion).

Wenn ich nun schon zu diesem Thema schreibe, dann sollte ich den folgenden Hinweis nicht unterschlagen: man kann eine Wasserstoffexplosion auch so einrichten, dass dabei aus den H+ bzw. aus den Protonen nun Neutronen entstehen. Dazu muss man Sorge tragen, dass das freie Elektron nicht "chemisch" reagiert (was man eben als Verbrennung bezeichnet) sondern kerntechnisch. Das Elektron darf nicht das Atom wechseln (von H+ in Richtung O- und dessen Elektronenschale) sondern es muss tief in den Kern (Hadron) des Protons hinein, genaugesagt in dessen Mitte. Für Schulphysiker ist das ein Ding der Unmöglichkeit, aber so genannte Tunneleffekte gibt es eben auch in diesem Bereich. Man muss eben deren Wahrscheinlichkeit erhöhen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Tunneleffekt

(siehe die schöne Animation gleich oben rechts)

Am Weitesten ist in dieser Nische der Physik wohl Ruggiero Santilli gekommen (wenn ich hiermit einen Forscher zitieren soll, bei dem sich Theorie und Experiment auf gleicher Höhe befinden):

http://aip.scitation.org/doi/abs/10.1063/1.4912711

Letztlich ist dieses Feld auch der Tummelspielplatz der sog. 'kalten Fusionisten', korrekter ausgedrückt der LENR-Forscher (Low Energy Nuclear Reactions). Nur leider wissen diese nicht immer genau, was sie tun. Und deswegen herrscht - noch - Konfusion und Chaos in den technischen und experimentellen Ansätzen. Das wird sich aber ändern. Von ZUSE 1 bis zum PC waren es rund 50 Jahre, und wir befinden uns mit der LENR im Bereich von ZUSE 1 oder - wie es der hier zumindest von mir vermißte @Literaturhinweis einmal treffend gesagt hat - im Stadium von 'Berta Benz'. Macht aber nichts: Evolution und menschliche Geschichte haben (fast) endlos Zeit.

Jedenfalls, wenn die Tür geöffnet ist (Andere werden dann natürlich versuchen, sie zuzuhalten; jeder hier kann sich denken, welche das sein werden bzw. jetzt schon sind ...) - also, wenn die Tür offen ist, dann ist der Weg auch frei in eine weniger umweltschädliche Technikepoche, insofern die konventionellen Verbrennungstechnologien, konventionellen Nukleartechnologien und konventionellen regenerativen Technologien dann weitgehend entfallen können.*)

Ein bißchen Philosophie und physikalischen Theorie noch, wenn's gestattet ist: Die Energiedifferenz, die bei der LENR (überwiegend) genutzt wird, korreliert mit einem verkleinerten Raum für die übrig gebliebene Materie: ein Heliumatom (4He) beispielsweise nimmt ein kleineres Volumen ein als die zwei H und zwei Neutronen, aus denen es besteht. Warum das so ist, weiß kein Mensch, und andererseits ist dieser Sachverhalt ein durchgehendes, fast banales Kennzeichen dieses Universum: je kleiner das Gefäß, desto mehr Energie, die man dort unterbringen kann: ein Paradox und ein Mysterium gleichzeitig, das durch die enstprechenden Formeln (E=MC²)und den Begriff 'Massedefekt' nur notdürftig überdeckt bzw. vernebelt wird.**)

Wünsche Dir weiteren guten Erfolg bei Deinen naturwissenschaftlichen und technischen Studien!

MFG, Weiner

*) es gibt ausreichend nukleare Reaktionswege, die strahlungsfrei, d.h. nicht 'radioaktiv' sind bzw. nicht radioaktive Materialien hinterlassen. Wenn man die Neutronensynthese entsprechend beherrscht, kann man ganz im Gegenteil die bisher angehäuften radioaktiven Abfälle kontrolliert 'entstrahlen' und dabei sogar noch Energie gewinnen. Ein Problem, mit dem man konfrontiert wird, wenn man niederenergetische Fusionsreaktionen gemeistert hat, ist die Verwertung bzw. Umwandlung der nun frei werdenden Energie. Die fällt nämlich überwiegend thermisch an, wir aber wollen in der Regel Elektrizität haben. Fürs Erste kann man ja dereinst wieder mit Dampf (-maschinen, -turbinen, -motoren) arbeiten ...

**) bei der Strahlung ist es, damit zusammenhängend, ja genauso: je kleiner die Wellenlänge, desto höher die transportierte Energie.


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