Das Geheimnis des Streif-Sieges von 1983

Protoceratops, Sonntag, 21.01.2018, 15:37 (vor 2284 Tagen) @ Hopi1655 Views
bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 21.01.2018, 15:57

Hallo werte Hopi!

Vielen Dank, dass hier in unserem Forum der historische Sieg gewürdigt wird.
Immerhin war es erst der zweite Deutsche, der nach Sepp Ferstl diese legendäre Abfahrt gewinnen konnte, welche nicht zuletzt aufgrund der Schwierigkeit und der Geschwindigkeit das „Königsrennen“ jeder Abfahrts-Saison darstellt.

Auch wenn dieser Sieg von Thomas Dreßen eine kleine Sensation ist, die größte Sensation auf der Streif spielte sich mit Sicherheit vor auf den Tag genau vor 35 Jahren ab.
Damals gewann der völlig unbekannte Bruno Kernen aus dem schweizer B-Kader bei seinem ersten Rennen auf der Streif mit der hohen Startnummer 29 diese Abfahrt.
Auch damals feierte der Kanadier Podborski bereits seinen Sieg im Zielraum.
Kann man ihm ja auch nicht verübeln, denn die Weltklasse ist bei Startnummer 15 bereits durch und danach kommen nur noch „zweitklassige“ Fahrer, die eigentlich keine Siegchancen haben.
Hier ein Kurzbericht zum damaligen Rennen unter der Überschrift „Das sensationelle Gesicht“.
https://www.blick.ch/sport/ski/eine-abfahrt-wie-keine-andere-welches-gesicht-zeigt-uns-die-streif-id6084787.html

Nun ergab es sich, dass ich seinerzeit mitten in meiner Diplomarbeit steckte.
Während andere sich so aufregender Dinge wie dem Papiervorschub eines Drucker widmeten, wählte ich gemeinsam mit einem Kommilitonen das Thema: „Gleitverhalten eines Abfahrtsrennskis“.
Wir arbeiteten also zusammen mit Technikern des DSV bereits seit Beginn des Winters, erstellten ellenlange Statistiken und führten langwierige Testreihen durch.
Neben der Biegesteifigkeit des Skis interessierte vor allem, wie die Beschaffenheit der Belagstruktur (glatt, rauh oder gerillt) bei verschiedenen Schneearten das Gleitverhalten beeinflusst.
Um hier Daten zu erfassen, führten wir unendlich viele Testfahrten durch.
Als Testfahrer fungierten Rennläufer aus dem Nachwuchsbereich und aus dem B-Kader des deutschen Skiverbandes.
Mit diesen und den DSV-Technikern gemeinsam waren wir jenen Winter viel unterwegs von Teststrecke zu Teststrecke und von Hotel zu Hotel.
Neben der ein oder anderen jungen Nachwuchsläuferin, die später zur Weltklasse aufgestiegen sind, ist mir vor allem ein junger Mann in besonderer Erinnerung – Markus Wasmeier.
Er war immer gut gelaunt und brachte fröhliche Stimmung in die Arbeitsgruppe.

Dann kam der Tag des Rennens an der Streif, der 21.01.1983.
Staunend und ungläubig vernahmen wir den Ausgang und es gab natürlich jede Menge Diskussionsstoff, vor allem, als dann im DSV-Lager durchsickerte, dass der Schweizer Sieger Bruno Kernen wohl mit einem ganz neuartigen Belag gefahren ist.
Bereits nach wenigen Tagen stürmte dann jemand vom DSV in unseren Technikraum und brachte ein Stück dieses Wunderbelages mit, der auf Kohlenstoffbasis bestand und gegenüber den damals sonst üblichen Belägen eine Revolution darstellte.
Sehr schnell wurden dann entsprechende Beläge für die Abfahrtski gefertigt und diese flossen in unsere Untersuchungen mit ein.

So hat seinerzeit ein Bruno Kernen, der als Fahrer aus dem B-Kader damals eigentlich einfach nur einen „Praxistest“ für den Schweizer Skiverband auf der Streif durchführte, dieses Rennen 1983 gewonnen.

Viele Grüße

Protoceratops


P.S.
Meines Wissens nach gewann dieser Bruno Kernen danach nie wieder ein Rennen und beendete seine Karriere auch schon 1987. (?)
Er ist auch nicht zu verwechseln mit seinem namensgleichen Landsmann, der später zur absoluten Weltklasse gehörte.


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