Politik als Beruf

Oblomow, Mittwoch, 17.01.2018, 09:22 (vor 2284 Tagen) @ Reffke3992 Views

Hallo Dieter und allerseits,

Besser gesagt, dieser Blick:
https://www.focus.de/politik/deutschland/groko-koalitionsverhandlungen-fast-unmoeglich-...

Eiskalt... und berechnend.

MfG,
Reffke

Guten Tag,

ich wünsche mir eigentlich, dass der Politiker mitunter eiskalt und berechnend ist. Nur, in wessen Auftrag Tante Erika eiskalt und berechnend ist, das ist wohl die Frage und wie gut jemand rechnen kann. Sie wäre doch nie dort, wo sie ist, wenn sie nicht eiskalt und berechnend wäre und als Physikerin kann sie rechnen. Putin und Trump sind auch eiskalt berechnend, zum Glück. Und sogar z.B. Frau Weidel und Frau Lafontaine, das vermute ich, können eiskalt rechnen. Der Trottel aus Würselen scheint sich aber etwas zu verrechnen. 0 und 1 ist eben etwas wenig, auch wenn nach Carl Schmitt darin die ganze Logik der Politik besteht, Freund und Feind zu unterscheiden.

Hier auch noch ein schöner Text zum Politiker von Max Weber. Das ist der, der zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik unterschied und die These vom Protestantismus als dem entscheidenden Beschleuniger des Kapitalismus dachte. Es sind die Schlussworte eines Vortrages an der Münchner Uni kurz nach Ende des ersten Weltkriegs: https://de.wikipedia.org/wiki/Politik_als_Beruf

"Und nun, verehrte Anwesende, wollen wir uns nach zehn Jahren über diesen Punkt einmal wieder sprechen. Wenn dann, wie ich leider befürchten muß, aus einer ganzen Reihe von Gründen, die Zeit der Reaktion längst hereingebrochen und von dem, was gewiß viele von Ihnen und, wie ich offen gestehe, auch ich gewünscht und gehofft haben, wenig, vielleicht nicht gerade nichts, aber wenigstens dem Scheine nach wenig in Erfüllung gegangen ist – das ist sehr wahrscheinlich, es wird mich nicht zerbrechen, aber es ist freilich eine innerliche Belastung, das zu wissen –, dann wünschte ich wohl zu sehen, was aus denjenigen von Ihnen, die jetzt sich als echte »Gesinnungspolitiker« fühlen und an dem Rausch teilnehmen, den diese Revolution bedeutet, – was aus denen im inneren Sinne des Wortes »geworden« ist. Es wäre ja schön, wenn die Sache so wäre, daß dann Shakespeares 102. Sonett gelten würde:

Damals war Lenz und unsere Liebe grün,
Da grüßt' ich täglich sie mit meinem Sang,
So schlägt die Nachtigall in Sommers Blühn –
Und schweigt den Ton in reifrer Tage Gang.

Aber so ist die Sache nicht. Nicht das Blühen des Sommers liegt vor uns, sondern zunächst eine Polarnacht von eisiger Finsternis und Härte, mag äußerlich jetzt siegen welche Gruppe auch immer. Denn: wo nichts ist, da hat nicht nur der Kaiser, sondern auch der Proletarier sein Recht verloren. Wenn diese Nacht langsam weichen wird, wer wird dann von denen noch leben, deren Lenz jetzt scheinbar so üppig geblüht hat? Und was wird aus Ihnen allen dann innerlich geworden sein? Verbitterung oder Banausentum, einfaches stumpfes Hinnehmen der Welt und des Berufes oder, das dritte und nicht Seltenste: mystische Weltflucht bei denen, welche die Gabe dafür haben, oder – oft und übel – sie als Mode sich anquälen? In jedem solchen Fall werde ich die Konsequenz ziehen: die sind ihrem eigenen Tun nicht gewachsen gewesen, nicht gewachsen auch der Welt, so wie sie wirklich ist, und ihrem Alltag: sie haben den Beruf zur Politik, den sie für sich in sich glaubten, objektiv und tatsächlich im innerlichsten Sinn nicht gehabt. Sie hätten besser getan, die Brüderlichkeit schlicht und einfach von Mensch zu Mensch zu pflegen und im übrigen rein sachlich an ihres Tages Arbeit zu wirken.
Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Es ist ja durchaus richtig, und alle geschichtliche Erfahrung bestätigt es, daß man das Mögliche nicht erreichte, wenn nicht immer wieder in der Welt nach dem Unmöglichen gegriffen worden wäre. Aber der, der das tun kann, muß ein Führer und nicht nur das, sondern auch – in einem sehr schlichten Wortsinn – ein Held sein. Und auch die, welche beides nicht sind, müssen sich wappnen mit jener Festigkeit des Herzens, die auch dem Scheitern aller Hoffnungen gewachsen ist, jetzt schon, sonst werden sie nicht imstande sein, auch nur durchzusetzen, was heute möglich ist. Nur wer sicher ist, daß er daran nicht zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, daß er all dem gegenüber: »dennoch!« zu sagen vermag, nur der hat den »Beruf« zur Politik."

Einen guten Tag wünscht
Oblomow


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