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Ashitaka, Sonntag, 14.01.2018, 14:38 (vor 2287 Tagen) @ nvf331602 Views

Hallo nvf33,

Wenn ich Dich hier beim Wort nehme, dann meinst Du offenbar: "So tun als
ob ist Realität".

Ja so ist es. Solange das "so tun als ob" unbewusst bleibt, erscheint uns die Realität so, als hätten wir es getan, als wäre es geschehen. Unser Simulieren ist notwendig. Die Gesellschaft hätte ohne die Simulationen keine Richtung.

Das würde zum Beispiel auch bedeuten, dass die
Unterscheidung zwischen einem weinenden Kind und einem Schmerz
vortäuschenden Kind gemeinschaftliche Einbildung sei. Das erinnert mich an
die Zeiten, als man sagte, dass ganz kleine Kinder noch keinen Schmerz
spüren könnten. Nun ja, ich glaube, dass glaubt man heute eher nicht
mehr.

Ob das Kind schmerz verspürt, kann das Kind "nur für sich" beantworten. Die Annahme, wir könnten das Empfinden des Kindes mittelbar ergründen, ist eben nicht mehr als eine Annahme. Wir simulieren das unmittelbare Empfinden.

Als ich letztens auf einem Schulinformationsabend war, kam ich mir schon vor wie in einer Zuchtstätte der Geisteskranken. Sie wissen alle was zu tun ist, tun so, als wüssten sie. Deshalb läuft es ja nicht, weil wir uns nicht eingestehen können, wenn wir nicht weiter wissen.

Man könnte Deine These vorläufig retten, indem man sagt, beides seien
unterschiedliche Arten der Simulation: Echtes Weinen sei eben nur "echt",
und unechtes das, was man üblicherweise als simulieren bezeichnet. Die
Unterscheidung zwischen echt und "echt" läge dann nur im Grad der
Zustimmung zur These, Realität sei Simulation, und echt wäre im Gegensatz
zu "echt" nur eine unüberlegtere Form der Selbsttäuschung.

"beides seien". Eben, beides simulieren.

Oder etwas neutraler: Jeder verleiht
der Welt seinen subjektiven Dreh, so dass am Ende nur Gewirr beliebiger
perspektivischer Einseitigkeiten als Substanz bleibt.
Meinst Du es so?

Natürlich, subjektiv. Jedoch drehen wir uns nicht selbst.

Wie wäre es daneben mit der Idee, Simulation als Form der
Willensäußerung zu sehen? Also als eine Möglichkeit, seinen Willen real
zu machen? Dann wäre die Frage, ob es auf der Welt noch etwas anderes
gibt, als unseren Willen. Ob wir also noch etwas lernen können, wenn wir
gerade nicht simulieren.

Ja, das ist ein interessanter Gedanke. Die Simulation dient dazu, die Grenzen des Möglichen zu überwinden, um über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass wir eigentlich in Bezug auf all unser die Welt als Fortschrittserwartung im Köpfchen tragendes tun machtlos sind. Deshalb ist auch die Raumfahrt das perfekte Beispiel, eben, ein perfektes Verbrechen. Zum Glück haben wir diese Möglichkeit. [[freude]]

P.S.: Barthels Totalraum ist derweil nicht vergessen, ich arbeite an einer
Web-Simulation dazu gerade, dauert aber noch ein paar Wochen.

Da bin ich gespannt.

Herzlichst,

Ashitaka

--
Der Ursprung aller Macht ist das Wort. Das gesprochene Wort als
Quell jeglicher Ordnung. Wer das Wort neu ordnet, der versteht wie
die Welt im Innersten funktioniert.


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