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Zarathustra, Sonntag, 24.12.2017, 07:40 (vor 2308 Tagen) @ Sigrid6843 Views
bearbeitet von Zarathustra, Sonntag, 24.12.2017, 07:46


Umgekehrt. Singer und Roth plädieren schon lange für eine Anpassung

des

Strafrechts, weil die Wirkung dieser Erkenntnis nicht schrecklich,

sondern

eher positiv wäre. Man begründet eine Strafe dann nicht mehr mit

Schuld

und Sühne, sondern mit Prävention.

Zu ersterem, das Bildchen der "schreckenden" Erkenntnis wurde in dem von
Dir verlinkten Interview gemalt, nicht von mir. Lesen!

Eben. Es schreckt immer noch viele.

Zu zweiterem: Prävention im Strafgesetzbuch DANN neu?? Huch, in welch
patriachalischer Auslegung lebst Du denn noch?

Selbstverständlich ist das nicht neu.

„In der Strafzwecktheorie wird gesondert davon unterschieden in
Generalprävention, die alle Mitglieder der Gesellschaft
gleichermaßen betrifft, wie etwa die grundsätzliche Strafbarkeit einer
Handlung, und Spezialprävention, die sich auf Einzelpersonen
richtet, wie etwa das konkrete Verhängen einer Strafe.
Die Rechtsordnung sieht für den Verstoß gegen die wichtigsten Regeln des
Zusammenlebens Strafen vor. In der Regel wird Strafe heute nach der
Vereinigungstheorie mit unterschiedlichen Ansätzen begründet:[1]
- mit der Veränderung des zu Bestrafenden zum Besseren
(Spezialprävention)
- mit dem Ziel der Abschreckung potentieller anderer
(Generalprävention)
- mit dem Ziel des Schutzes anderer (z. B. der sonstigen Bevölkerung)
- mit der Wiederherstellung der Gerechtigkeit (Sühne) und von Vergeltung
(Talionsprinzip)“

Das einzige, was mit dieser epochalen Änderung fallen würde, wäre der
letzte Punkt - Talisionsprinzip.

Das wäre in der Tat epochal.

Roth:

Die Aufregung einiger Strafrechtler über die neurowissenschaftliche
Willensfreiheitsdebatte ist verständlich, belebt sie
doch eine Diskussion, die seit langem in der Strafrechtstheorie
schwelt und (so führende Strafrechtstheoretiker) aus pragmatischen Gründen verdrängt wird. Der Schuldbegriff des
Strafrechts ist nach herrschender Meinung und laut Urteilen
des Bundesgerichtshofs unabdingbar an die Annahme einer
Willensfreiheit im Sinne des »Unter-denselben-physiologischen-Bedingungen-willentlich-andershandeln-Könnens« gebunden. In dem Maße, in dem sich die empirischen Evidenzen der Hirnforschung und der Psychologie gegen die Existenz einnes solchen »Alternativismus« verstärken, sind Strafrechtler
gezwungen, über diesen Widerspruch nachzudenken und ihn
aufzulösen zu versuchen. Wie eine Lösung aussehen könnte, können selbstverständlich die Hirnforscher (einschließlich ihrer Gehirne) nicht entscheiden; sie können sich höchstens kompetent an der Diskussion beteiligen.

https://homepage.univie.ac.at/henning.schluss/seminare/028freiheit/texte/4.pdf

Um dann auf die Idee zu kommen, da kann man doch was tun. Man setze
Ursachen ( Erziehung, psychogene Drogen, Meditation ect.), damit

Mensch

dann halt doch einen anderen Willen kriegt. Lustig!


Sie plädieren in jenem Absatz nicht für einen Einsatz von Drogen und
Medition.

Doch.Lesen!

Nein.

Die beiden
Herren sprechen da gar von NEUER Verantwortung, die sich aus solch
Erkenntnis ergibt. OHA, dabei war das doch nie anders.
Im Empfinden fällt da nicht nur der freie Wille, sondern die

Vorstellung

des „freien Menschen“.
Neues Mem- bildchen, welches da transportiert wird:
Einzelner Mensch als biologischer Zellhaufen ist Produkt der

Ursachen.

Unschuldig, bzw. ohnmächtig an diesen und dürfte darum nicht

sanktioniert

werden. Die „Tat“, das Ergebnis seiner Determinierung kann nicht

mehr

mit Schuld und Entschuldung beurteilt werden.


Falsch. Du hast die ganzen Debatten mit Singer und Roth nicht
mitbekommen.
Es wird nirgends gefordert, dass nicht sanktioniert wird. Glaubst Du,

die

sind verrückt? Es wird gefordert, dass Sanktionen zeitgemässer

begründet

werden, sprich: nicht mehr in der mittelalterlich pfaffösen (Kurt) Art

und

Weise wie bisher, sondern an die Erkenntnisse aus der Wissenschaft
angepasst.

Schön! Wie stellst Du Dir das denn konkret vor?

Fassungslose Grüße


Fassungslos sein muss man ob Deiner frei erfundenen Behauptung einer Forderung von Nichtsanktionierung. Dass dies niemand fordert, müsste Dir klar sein. Gefordert wird, dass eine zentrale Fehlanname (""laut Urteilen des Bundesgerichtshofs unabdingbar an die Annahme einer Willensfreiheit im Sinne des »Unter-denselben-physiologischen-Bedingungen-willentlich-andershandeln-Könnens« gebundene"") beseitigt wird aus dem Strafrecht, und darauf aufbauend an einer neuen Lösung gearbeitet wird.

Wie ich mir das vorstelle? Sanktionierung anders begründen, ob im Strafrecht oder privat. Dem Sanktionierten nicht dessen Sein und Charakter zum Vorwurf machen, sondern vor allem die Leid bringenden Konsequenzen seines Handelns darstellen.


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