Herz gegen Verstand ins Feld führen...

Taurec ⌂, München, Montag, 27.11.2017, 12:23 (vor 2341 Tagen) @ Loki6397 Views

Hallo!

Und ein offenes Herz ist m.E. mit einem Gedicht leichter zu erreichen als mit nackten Tatsachen, deswegen finde ich Werke wie das Lindenlied sehr wichtig und im Gegensatz dazu finde ich es kontraproduktiv, solche Texte mit dem Verstand zu zerpflücken.

Nein, das hat durchaus seinen Sinn. Die Stellen des Liedes werden ja auf der anderen Seite auch aus dem Zusammenhang gerissen, verstandesmäßig analysiert und mit anderen Quellen zu Szenarien zusammengestöpselt.

Daher ist es dringend notwendig, scharf und bis zur letzten Konsequenz herauszuarbeiten, daß das Lindelied nur eine Verarbeitung älterer (übrigens ihrerseits überwiegend gefälschter) Prophezeiungen ist.

Prophezeiungsgläubige (und zwar von der naiven Sorte) bewegen sich häufig in einer selbstbezüglichen Welt, in der das Wort Fälschung gar nicht vorkommt bzw. die Quellen allein unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob sie sich inhaltlich decken. Daß sie sich decken, ist bei einem Haufen gegenseitig abgeschriebener Fälschung natürlich kein Wunder. Das Ergebnis ist ein systematischer Selbstbetrug des solcherart naiv Gläubigen.

Eine grundsätzliche Frage zu dieser Thematik:
Wenn Worte in einem Lied, in einem Gedicht oder in einer Geschichte geeignet sind, die "Wogen aufgewühlter und verzweifelter Herzen zu glätten", wie wichtig ist es dann eigentlich, ob man diese Worte verstandesmäßig als "wahr" definieren kann?

Dabei bleibt es allerdings in der Regel nicht. Niemand liest das Lindelied zur persönlichen Erbauung wie z. B. ein Goethegedicht, um sich empfindungsmäßig ins Reine zu bringen. Man liest es hingegen, um Informationen über Deutschlands Zukunft zu erhalten. In diesem Sinne ist es von höchster Wichtigkeit, festzustellen, daß sich das Lindelied (neben dem Weitererzählen der Endzeitmythen) völlig in der Weimarer Zeit und Deutschlands damaliger Situation erschöpft, aber keine darüber hinaus gehenden Angaben über unser Land heute enthält, weil der Autor des Liedes (Martin Hingerl 1920) davon gar keine Ahnung hatte.

[...] weil es ja nichts bringt, diese Werke mit dem Verstand begreifen zu wollen.

[...] zu verhindern, dass Mensch sich nur alleine auf seinen kümmerlichen Verstand verlassen muss.

Das Prinzip des Kampfes "Verstand gegen Herz" hatte ich in obigem Beitrag versucht zu beschreiben.

Meines Erachtens kommt man in Teufelsküche, wenn man Herz gegen Verstand in Stellung zu bringen versucht und beides als unvereinbare Gegensätze begreift. Das ist ähnlich absurd wie der stets bemühte Gegensatz zwischen Religion und Wissenschaft. Da dem Menschen Verstand und Herz (besser wäre Kopf, Herz und Bauch) gegeben sind, ist er auch dazu angehalten, alle Bestandteile gleichermaßen in seinem Leben zu integrieren. Wer den Verstand verachtet, weil er ihn für kalt und zersetzend hält (wie er sich bei Überbetonung ja auch auswirkt), dagegen überschwenglich auf die Herzseite gehen will, der wird bestenfalls zu einem Dummkopf, der auch zutreffende und schlüssige Argumente als Meinungen abtut, weil sie ihm rein gefühlsmäßig nicht dahin passen, wie er die Welt gerne hätte.

Die Herzseite sagt einem womöglich, daß Hingerl mit seiner Dichtung durchaus aufrechte, nach oben weisende Beweggründe zum Ausdruck brachte. Der Verstand hingegen ordnet das Lied und seine Grundlagen sachlich richtig und entsprechend der Entstehungszeit ein und gibt als Fazit zu verstehen, daß es wohl besser wäre, nach geistigen Fundamenten zu suchen, die auch heute noch bzw. zeitunabhängig belastbar sind und den vor uns liegenden Weg beleuchten können.
Beides geht Hand in Hand. Die verstandesunabhängigen Wesensteile weisen die Richtung. Der Verstand ist hingegen das einzige Werkzeug, das uns den Weg zu beschreiten, die richtige Vorgehensweise und die dazu nötigen Informationen zu erkennen und auszuwählen hilft. Wer hier falsch wählt, weil er den Verstand verachtet, der ist schlichtweg verratzt.

Hierzu:

Unser Verstand soll bei manchen Themen schon soo geschockt reagieren

Mir scheint, es liegt gar nicht im Möglichen des Verstandes, "geschockt" zu reagieren. Desgleichen gehört wohl eher in den Bereich des vegetativen Nervensystems. Solche Emotionen sind wiederum nicht mit echten Gefühlen (Herz) oder gar Empfindungen (Bauch) zu verwechseln, sondern nichts anderes als körperlich (wie der Verstand).
Eher ist der Mensch konditioniert, in einen rein vegetativen Alarmzustand zu wechseln, wenn etwas ins Bewußtsein gelangt, das mit den eingeschliffenen Wegen in Konflikt gerät.

Bedingung: Man muss ALLE Informationen erst einmal UNZENSIERT in sein Inneres gelangen lassen und dann braucht man nur noch auf sein Herz lauschen, irgendwann wird die Über-zeugung da sein.

Leichter gesagt als getan. Zum einen wird der Verstand schon durch bloßes Wahrnehmen aktiv, lange bevor man bewußt darüber nachdenkt. Schon die Synthetisierung einer Wahrnehmung im Gehirn ist ein Verstandesakt, der durch Vorannahmen geprägt ist. Es gibt in diesem Sinne keine unzensierten Informationen. Alles, was uns von außen zukommt, unterliegt einer Vorauswahl durch das Gehirn. Man betrügt sich meines Erachtens selbst, wenn man meint, den Verstand umgehen zu können. Dazu sind wir auch gar nicht geschaffen. Der Verstand gehört zu unserem Dasein auf Erden. Er sollte vernünftig und im Rahmen seiner Kompetenzen genutzt werden.
Sodann ist der westliche Mensch durch die heutigen Lebensumstände, die breite Entwurzelung aus einem natürlichen Lebensumfeld, zu der das Leben in abstrakt organisieren Systemen gehört (siehe den Unterschied zwischen Kultur und Zivilisation), seinen immateriellen Wesensbestandteilen (Herz und Bauch) derart entfremdet, daß er selbst nur die Signale oberflächlich-körperlicher Emotionen (aus dem vegetativen Nervensystem) wahrnimmt und fälschlich für "Herz" hält, wenn er nach innen lauscht.
Das Ergebnis: Man folgt nicht seinem Herzen, sondern einem Weg, der das chronisch aufgereizte Nervensystem beruhigt und einem möglichst gute Gefühle in parasympathischer Entspannung verschafft, in welcher die unterschwellige Unruhe unserer Zeit etwas nachläßt. Man findet hier nicht platten Hedonismus, wie er der Mehrheit eignet, sondern mehr einen seelischen Hedonismus in einer Art Wohlfühlesoterik. Man bewertet die Dinge dann, wie oben erwähnt, nicht wirklich aus dem geistigen Wesenskern heraus, sondern wie sie einem gefühlsmäßig in den Kram passen.
Generell bewegt sich der moderne Mensch neben durch hereinstürmende Informationen entstehender verstandesmäßiger Überlastung wohl in einem rein biologischen Wechselspiel aus tierischer, oberflächlich-sexueller Erregung und gemütlicher Entspannung, an dem der "eigentliche Mensch" nur wenig beteiligt ist und das nicht ohne weiteres durchbrochen werden kann.
Der einzige Weg zur Genesung wäre wohl, der Zivilisation völlig abzuschwören und, statt Informationen unzensiert aufnehmen zu wollen, die Informationsaufnahme einstweilen gänzlich zu verweigern – jedenfalls für eine Weile.

Gruß
Taurec

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