Baudrillad verstehen

nemo, Sonntag, 19.11.2017, 18:34 (vor 2346 Tagen) @ Rybezahl7278 Views
bearbeitet von nemo, Sonntag, 19.11.2017, 18:40

Hallo,

vielleicht leben wir ja in einer Matrix, das kann ich nicht ausschließen.
Ich kann es ja auch nicht ausschließen, dass unsere Welt vor dem
Hintergrund einer jenseitigen Welt existiert.


Hallo Rybezahl,

hier meine einfache Annäherung an Baudrillard. Der Ausgangspunkt ist die Semiotik,
die Lehre der Zeichen und Symbole und deren Deutung.

Medien arbeiten mit Symbolen. Sie werden für eine Informations- bzw. Kommunikationsebene
gehalten, was sie aber nicht sind. Sie sind es nicht, weil sie nur einen Bruchteil der
möglichen Informationen beinhalten. Eben nur die Informationen, die in diesem Medium
möglich sind. So blenden sie z.B. den Raum und damit den Zusammenhang aus, in dem
etwas stattfindet. Da sie die Realität nicht darstellen können, werden Informationen
auf Symbole reduziert.

Wer ist Angela Merkel? Sie ist ein Symbol, mehr nicht. Dieses Symbol wird mit bestimmten
Dingen assoziiert, die nicht der Wahrheit entsprechen müssen. Aber das Symbol erhält
durch den allgemeinen Gebrauch eine eigene Bedeutungs- oder Realitätsebene –
die Hyperrealität.

Die Hyperrealität ist eine Realität, die nicht mehr auf vielschichtigen Informationen beruht,
sondern auf Symbolen, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen und mit der Zeit
die Wirklichkeit ersetzen.

Es entsteht nun eine riesige Lücke zwischen Realität und dem Symbol. Diese Lücke
kann nicht durch die Medien selbst aufgefüllt werden. Daher versuchen die Medien
mit allen technischen Raffinessen – bis hin zu 3D, Dolby-Systemen und anderen
Spielereien einen möglichst realen Eindruck zu erwecken. Aber das ändert natürlich
nichts am Informationsgehalt. Eine Information aus einem Empfangsgerät wird
niemals an den Wahrheitsgehalt einer direkt erlebten Information heran reichen,
sondern im Gegenteil eine simulierte Hyperrealität erschaffen. Wahrheitsmedien kann
es demnach nicht geben. Es sind Symbol-Medien, die keine Rückschlüsse mehr auf
ihren Informationsgehalt zulassen.

Der Trick. der den Medien Glaubwürdigkeit verleiht, besteht darin, dass Millionen
Menschen über dieselben Symbole verfügen, die sie auf ähnliche Weise interpretieren.
Daher erscheinen sie ihnen glaubhaft oder wirklichkeitsnäher. Das führt zu der Situation,
dass ein einzelner Mensch, der ein Ereignis beobachtet, mehr weiß, als Milliarden
von Menschen an den Empfangsgeräten.

Jeder Konsens ist künstlich, solange er nicht auf echter Erfahrung beruht. Echte
Erfahrung findet jedoch außerhalb der Medien statt. Wenn Computer, Smartphones,
Tabletts, TV Geräte und Radio unsere Realität bestimmen, dann wird die Wirklichkeit
durch die Verwendung von Symbolen nur noch simuliert.

Obwohl Angela Merkel schon gefühlte 30 Jahre unsere Bundeskanzlerin ist, verfügen
nur sehr wenige Menschen über genügend Informationen darüber, wer sie tatsächlich
ist. Alle anderen erleben sie als Teil einer simulierten Hyperrealität.

In diesem Zusammenhang bedeutet Digitalisierung die Perfektionierung der hyper-
realen Scheinwelt.

Gruß
nemo


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