Wie war das damals? Luther und Ablass

nereus, Mittwoch, 01.11.2017, 08:20 (vor 2340 Tagen)2798 Views

Den ganzen Tag hindurch predigten die Öffentlich-Rechtlichen, die katholische Kirche habe durch den Ablass Vergebung der Sünden verkauft.
Doch das ist falsch!
Die Geschichte ist eine andere, aber weil komplexer, für schlichte Geister nur schwer verständlich.

Quelle: https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/glosse/alle-500-jahre-gibt-es-jetzt-einen-deut...

Die Theologen des Mittelalters entwickelten die menschenfreundliche Idee des „Fegefeuers“, weil sie mit der Lösung „Himmel oder Hölle“ sofort bei Todesfall unzufrieden waren.
Dagegen sprach etwa die Verheißung eines Weltgerichts durch Christus am Ende aller Zeiten.
Was soll er urteilen, wenn die Seelen schon nach oben und unten verteilt sind?
Dagegen sprach auch das Gerechtigkeitsgefühl der Gläubigen.
Sollte nach der durch den Priester erteilten Absolution ein Mörder ebenso problemlos in den Himmel kommen wie eine, die sich nicht an die Sonntagspflicht und die Fastengebote gehalten hatte (damals ebenfalls eine „schwere Sünde“)?
Oder schlimmer, wenn die Sünderin durch einen plötzlichen Tod die Absolution verpasste, sie in der Hölle landete, während der Mörder froh in den Himmel aufstieg!

Deshalb wurde in Analogie zum überkommenen weltlichen Rechtswesen eine Strafinstanz geschaffen, die dem schuldigen Sünder je nach Schwere seines Vergehens eine Zeit der Strafe zumaß, die er im Fegefeuer zu erdulden hatte.
Dass man dabei an Peinigungen analog dem weltlichen Gerichtswesen dachte, entsprach ganz dem Geist der Epoche.
Ablässe sollten diese zeitlichen Strafen durch Bußopfer während der Lebenszeit vermindern helfen, das konnte durch Wallfahrten, gute Taten oder eben durch den Kauf von Ablassbriefen geschehen.

Dahinter steckte theologisch die realistische Auffassung, dass zum Erwerb von Geld Arbeit und Mühe aufgebracht werden muss, also dafür ein Opfer zu erbringen ist.
Gegen den mit der Zeit – wie bei allen Geldangelegenheiten unvermeidlichen – Missbrauch des Ablasswesens durch verweltlichte Kleriker bezog Luther wie viele andere katholische Kritiker Stellung.

Dass sich dann im Laufe der Kontroverse die polaren Standpunkte immer mehr radikalisierten, führte zu der theologischen Entgegensetzung von „Werkgerechtigkeit“ und „Gnade“.
Am Ende stand jene religiöse Spaltung des christlichen Europas, die mit zahllosen Kriegen und Millionen Opfern bezahlt wurde.
Zu keinem Zeitpunkt aber gab es eine katholische Auffassung, wonach sich das Urteil des Jüngsten Gerichts über Heil oder Verdammnis durch Geldzahlungen vorentscheiden ließe.

Ich gebe zu, die kleinen Details kannte ich auch nicht.
Man lernt halt nie aus.

mfG
nereus


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