Kleiner Reisebericht aus Vladivostok (mT)

DT, Donnerstag, 21.09.2017, 14:48 (vor 2380 Tagen)4127 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 21.09.2017, 15:12

Ich habe mir einen uralten Kindertraum erfüllt und habe einmal die östlichste Stadt Rußlands, Vladivostok, besucht. Schon zu Kinderzeiten war das östliche Ende der Transsibirischen Eisenbahn und die östlichste Großstadt der Sowjetunion mit einem Schleier des Exotischen verhüllt. Von dort ist es nur 40 km nach China und 80 km nach Nordkorea und nicht viel mehr als 100 km über das Japanische Meer bis nach Japan.

Ich wußte nicht genau, was mich erwarten würde, war schon einmal von den milden Temperaturen (13 Grad nachts, 21 Grad und mehr tagsüber) überrascht, hatte ich es doch mit „Ostsibirien“ in meiner Fantasie in Verbindung gebracht.
Der Service bei der Aeroflot war sehr gut, der Fluggast stand noch ganz im Mittelpunkt, nicht wie bei der Lufthansa, wo die jungen Gören im Stewardessenoutfit mehr mit sich selber beschäftigt sind und sich einen Dreck um die störenden Passagiere scheren, selbst in der Business Class. Da lobt man sich doch die Ost-Airlines, vor allem auch die asiatischen.
Der sehr moderne Flughafen bei der Landung überraschte mich, ist aber angesichts der Tatsache, daß ähnliche Infrastrukturinvestitionen im nahen China an der Tagesordnung sind, doch nicht verwunderlich.

Vladimir Putin hielt Anfang September hier sein „Eastern Economic Forum“ ab, eine Art Gegenentwurf zum Economic Forum in Davos. Da die Ostländer hier alle so nah sind und Vladivostok einen großen Hafen hat, ist das nicht verwunderlich.

Auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel fielen mir die vielen japanischen Autos auf, die rechts gesteuert wurden. In Rußland herrscht ja Rechtsverkehr wie auch bei uns, aber anscheinend importiert man gerne Gebrauchtwagen von den nahen japanischen Inseln.

Die Stadt hat 600 000 Einwohner, und mir fiel zugleich das sehr milde Klima auf, das mich an die Cote d’Azur erinnert hat. Feucht und mit einem guten, angenehmen Duft. Kein Smog und nicht der typische Braunkohlegeruch, den man doch manchmal in den westlichen Gegenden Rußlands findet.

Schaltet man den Fernseher im Hotel ein, erwarten einen über 300 Programme, darunter auch France TV, Deutsche Welle TV (auf deutsch), selbstverständlich CNN, BBC World, RT auf englisch, etc.

Auch das Internet ist ohne jegliche Sperren, anders als in den ländlichen Gegenden Chinas. In den Orten, wo ich mich bewegt hatte, war es extrem schnell, incl. Hotels, Flughafen, in der Stadt und bei free WIFI spots.
Es war so witzig, daß man sich dort völlig frei und unzensiert informieren konnte, während die Kommentare zu Lena Meyer-Landrut auf GMX zum Teil zu mehr als 80% zensiert waren. Von 10 Kommentaren kamen da zum Teil nur 2 durch. Ich wollte den Link eigentlich einstellen, aber er wurde wohl gelöscht.

Der Stadt sieht man noch an, daß sie lange als Militärstadt etwas abgeschirmt war. Auch die großen Werften, die gerne auch von SR71 Flugzeugen im gebührenden Abstand überflogen wurden, konnte ich nur aus der Ferne sehen.
Bei der Überfahrt über die beiden großen Hängebrücken über das Goldene Horn und zur Insel Russya konnte man auf die Ostmeerflotte schauen. Jede Menge Kreuzer, Raketenboote, auch 6 schwarze riesige Uboote, ich vermute atomgetrieben.

Seit meinem letzten Besuch in Rußland, der sich eher in der Moskauer Gegend abspielte, bin ich überrascht worden, wie modern das Land und seine Bürger schon geworden ist. Die jungen Mädchen laufen allesamt hervorragend gekleidet umher, mit Handtäschchen oder modischem Rucksack auf dem Rücken, oftmals in kurzem Rock und Stöckelschuhen. Insgesamt scheint der Lebensstandard hier meinem Eindruck nach höher zu sein als in den westlichen Teilen des Landes. Was mich erstaunt hat: kaum Asiaten oder asiatische Gesichter. Diesen Menschenschlag hätte ich viel stärker hier verortet. Alles sehr europäisch, eher wie in Paris oder London.

Abends haben die Jugendlichen gefeiert, aber interessant: ohne Alkohol oder sonstige Enhancer. Technomusik draußen, kleine und größere Gruppen, die auch Gitarre spielen und dazu singen, kaum Raucher. Auch schauen bis jetzt die Jugendlichen noch weniger auf ihr Handy, sondern sie scheinen sich noch echt zu unterhalten. Allerdings ist das bei den Chinesen, die man doch hier sieht, schon anders.

Im TV beim Sender RT war auch die Wahl in D ein größeres Thema. Witzig, daß auch die kleinen Parteien wie die „Partei“, die V-Partei und die Tierschutzpartei diskutiert wurden. Die Hintergrundwand hinter dem Moderator zeigte die Umfragen, aber nur die CDU, die SPD, die FDP und die Linke. Soweit ich das von hier überblicken kann wäre die AfD in den Umfragen momentan ja drittstärkste Kraft, aber die wurde gar nicht angezeigt.

Interessant auch: im TV wurden auf verschiedenen Sendern Vergleiche der westlichen und östlichen Berichterstattung gezeigt. Dies bezog sich sowohl auf das Manöver, wo der Westen Teilnehmerzahlen jenseits der 100 000 Mann behauptete, und die offizielle Zahl aus Rußland eher um 18 000 Mann schwankte. Wenn ich mich da an meine eigenen Bundeswehrmanöver erinnere, da waren leicht über 100 000 Mann plus Amis und sonstige Westmächte dabei.

Interessant auch die Berichterstattung über Trump vor der Uno: Vergleich zwischen Obama und Trump bei den Worten der Ansprache.

Interessant auch der Besuch auf der Insel Russia: dort gab es 80 Jahre alte 305 mm Drillingsbatterien, die zur Verteidigung eingerichtet wurden, ähnlich der Festung Sewastopol. Unterirdisch sind Gänge und Höhlen von bis zu 10m Höhe angeschlossen. Die Insel ist noch eine kleine Idylle, sie war bis vor kurzem für das Militär gesperrt, man sieht auch noch Radar-Antennen und ähnliches. Putin hat dort sein Eastern Economic Forum abgehalten und seit 2012 eine komplette Universität aus dem Boden gestampft mit sehr modernen Gebäuden und Einrichtungen. Etwas ähnlich Modernes habe ich in den letzten Jahren eigentlich nur in Singapur gesehen. In China sieht man doch schon nach kurzer Zeit, wie mangelnde Qualität und der Zahn der Zeit sowie die SO2-haltige Luft an den Fassaden nagen.

Allerdings ist mir auch noch die russische Bauweise aufgefallen: nicht alle Treppen haben die gleichen Stufenhöhen, oft ist die obere Stufe zu klein, auch die Türen im Hotel haben oft sehr hohe Schwellen, mehr als einmal bin ich hängen geblieben.

Gebäude zeigen schon nach wenigen Jahren den Verschleiß, und dort wo Wasser durchs Dach reinkam, scheint sich niemand zuständig zu fühlen, den Schaden zu beheben. Die russische Mentalität, die sich ja auch in D in der Ära Rüdiger Grube auch bei der Bahn mehr und mehr durchzusetzen scheint, ist eben doch nicht so leicht zu bekämpfen.

Am Strand der Insel, dort wo das EEF getagt hatte, scheinen alle Granitplatten an der Kaimauer mit minderwertigem Beton angebracht worden zu sein, wahrscheinlich hat man den Zement weggelassen oder abgezweigt. Auch konnte man das eine oder andere „potemkinsche Dorf“ sehen, alte Gebäude wurden einfach mal schnell verkleidet und angestrichen.

Die Insel hat sicher Entwicklungspotenzial. Ganz umsonst wird Putin die teure Schrägseilbrücke für die paar Leute auf der Insel nicht hingebaut haben. So eine Brücke könnte man gut im Mittelrheintal oder auch in Hamburg über die Elbe oder bei Köln gebrauchen, vielleicht sollten wir mal anfragen. Die Drecksxxxxx schert sich ja einen Dreck über die Infrastruktur im Westen, wo das Geld, das sie mit vollen Händen den Besatzern und Bereicherern in den Rachen wirft, erwirtschaftet wird.

Eine kleine Begebenheit muß ich aber noch zum Besten geben. Morgens nach meinem Jogging am Strand entlang in der guten milden Luft bin ich zu einem Areal gegangen, wo man Sport treiben konnte, Reckstangen, Dips, etc. Ich habe also meine 20 Klimmzüge gemacht, und da kam eine junge Russin, hat kein Wort gesagt, ging zur Klimmzugstange, und hat sechs blitzsaubere Dead-Hangs gemacht, mit der Hand in Vorhalte, jeder Klimmzug aus dem vollen Hängen heraus. Mir blieb die Spucke weg, weil bei der Aufnahmeprüfung zum KSK schon 5 saubere Dead-Hang Klimmzüge ausreichend sind. Bei den Marines der Amis gibt’s ja diese Genderdiskussion, ob Frauen weniger Klimmzüge machen müßten, aber diese russische Stahlfrau hat einfach ohne Worte die Antwort gegeben.
Noch eine witzige Begebenheit vor dem Rückflug: Mein Taxi war pünktlich, aber auf dem Weg zum Flughafen hat der Fahrer nach einem Anruf nach ca 1/3 der Strecke umgedreht und gesagt, daß ich der falsche Kunde sei. Da hat er mich wieder vor dem Hotel ausgeladen, zum Glück war dann mein Taxi dort und hatte gewartet und ich kam rechtzeitig zum Airport. Dort alles kein Problem, viel relaxter als im Amiland, ich hab der netten Dame am Röntgengerät meine Schweppesdose gezeigt und sie hat sie einfach durchgewunken. Beim Eingang zum Flughafen mußten jedoch ausnahmslos alle schon durch einen Metalldetektor sowie auch ihre Koffer und Rucksäcke durch ein Röntgengerät schieben, wie das ja auch in China bei Flughäfen sowie auch Bahnhöfen üblich ist.

Beim Rückflug habe ich dann leider die „blauen“ Aeroflot-Stewardessen erleben müssen, nicht die netten „roten“ wie beim Hinflug. Eine „Oksana“ hatte wohl was schlechtes gefrühstückt und hat 8h lang die Fluggäste angemurrt und mit einem Schlechtwettergesicht und lieblos hingeknallten Sachen „verwöhnt“. In Moskau klappte der Umstieg dann reibungslos – dickes Lob an die Flughafendesigner und an den Ablauf, daß man den Umstieg sogar in 15 Minuten von domestic auf international erledigen kann.

Auch beim zweiten Rückflug hatten sich etwas breite Ksenias und Melanas an den Passagieren ausgelassen – als ich in den Schlaf gefallen bin, haute mir die Ksenia mit voller Wucht den Wagen an die Kniescheibe und sagte dann „Be careful.“ Das ist mir bei 1 Mio Flugmeilen noch nie passiert. Auch mußten sie sich eher an den Fluggästen vorbeidrücken als diese erstmal in ihre Reihen gehen zu lassen. Naja, das ist man ja von der LH gewöhnt…

DT


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