Aus dem Leben einer Gutmenschin

peterpan, Dienstag, 19.09.2017, 14:40 (vor 2383 Tagen) @ Barbara3439 Views
bearbeitet von unbekannt, Dienstag, 19.09.2017, 14:43

Aus dem Leben einer Gutmenschin
Leserkommentar, gefunden auf ET
http://www.epochtimes.de/politik/deutschland/nrw-integrationsminister-fordert-entlastun...

MISTRAL •

Noch mehr lustige "Helfergeschichten" mal so zwischendurch!
Ausschnitt aus "Jetzt".
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Sie war wie in einem Rausch. Bis Birgit (alle Namen von der Redaktion geändert)
herausfindet, dass er noch „andere“ hat. „Da rackert man sich ab und
dann hat er noch mehr Frauen in Petto.

Bei einer schlief er, bei einer
anderen lernte er Deutsch...“ Sie kam sich blöd vor. Und zog sich
zurück. Birgit ist 57, lebt mit ihrem Mann in einem Reihenhaus am
Niederrhein in Deutschland, ihre Tochter wohnt seit Jahren in Wien, der
Hund war gerade gestorben. Bei einem Kirchenbesuch im Sommer 2016 lernte
sie „ihn“ zufällig kennen: Nabil*, einen 28-jährigen Flüchtling aus dem
Nordirak, der sich evangelisch taufen ließ. Sie kamen ins Gespräch,
stellten fest, dass sie beide einmal in Chicago gelebt hatten, waren
sich sympathisch und das Ganze nahm seinen Lauf.

Nabil wurde zum Essen eingeladen, zum alten Pferd mitgenommen, er
half beim Umzug der Oma und wurde beim Europa-Match „Deutschland gegen
die Slowakei“ in die nachbarschaftliche Fußballkultur eingeführt. Birgit
strahlt: „Ich hatte wieder ein Kind im Haus!“ Und für dieses Kind legte
sie sich ins Zeug. Die Lehrerin für Feldenkrais geriet in einen
„Helfer-Hype“, wie sie es nennt. Sie begann, morgens stundenlang im
Nachthemd zu recherchieren. Sie telefonierte, fuhr herum, legte einen
Ordner mit Nabils Namen darauf an – obwohl sie eigentlich nie Ordner
anlegt. „Wie kriege ich den jungen Mann auf die Beine, damit dieses
Talent nicht verloren geht?“ Das war ihr Antrieb.

Ihr Selbstwert steigerte sich und sie entdeckte eigene Talente: „Ich
bin gut darin, Sachen herauszufinden und mit Leuten so zu telefonieren,
dass sie gerne weiterhelfen.“ Birgit verschaffte ihm schließlich einen
Deutschkurs bei der IHK (Industrie und Handelskammer) samt Praktikum.
Denn der junge Iraker ist studierter Ingenieur, spricht fließend
Englisch, die Tochter hat ihn scherzhaft den „Eliteflüchtling“ ihrer
Eltern genannt.

Für Birgit war es ein riesen Erfolg, als ihr Schützling nach Monaten den umkämpften Platz erhielt, Nabil hingegen schimpfte: Der Unterricht sei so schlecht, er wolle lieber zu Siemens. Das habe ihr zwar einen Stich versetzt und klar, ein bisschen undankbar hätte sie es auch gefunden. Aber: „Er hat mich eben behandelt wie eine Mutter, bei
der man seinen ganzen Frust ablässt.“

Dass sie die Mutterrolle innehat, war für Birgit von Anfang an
wichtig. Denn wenn ein junger Mann kurz nach dem ersten Kennenlernen
fragt, was sie am Wochenende macht, dann müsse sie sich als Frau
natürlich fragen: Wie sieht der mich? Und: Welche Position nehme ich
ein? Sie habe sich entschieden, die Tante oder Mutter zu sein. Zu
Ausflügen nahm sie daher auch ihre eigene Mutter mit. Birgit wollte
Nabil familiären Anschluss bieten. Und er hat das gerne angenommen.

Die Monate mit Nabil, das Helfen und Organisieren, all das hat
Birgit, wie sie selbst sagt, „irre viel Spaß“ gemacht. Es war
„berauschend“, es habe „geschmeichelt“: „Ich bin der Schlüssel für ein
Weiterleben, ja für ein ganzes Dasein.“ Sie war eine von Merkels „Wir
schaffen das“-Kämpferinnen, wollte es den „Bösen“ zeigen, jenen, die die
Flüchtlinge verteufeln. „Es ist eine unheimlich verantwortungsvolle
Aufgabe und man will nicht versagen.“

Dass bei diesem Engagement Dinge auf der Strecke bleiben, verwundert nicht. Ihr Mann, der Haushalt, die Vorbereitungen für ihre eigenen Kurse. Aber der Mann war stolz – sie tat ja etwas Gutes – und machte mit.

Bald besuchte Nabil nicht nur die Koppel ihres Pferds, sondern auch
den Qi-Gong-Kurs ihres Mannes. Ein neues Familiengefühl lebte auf – bis
es zum Vertrauensbruch kam. Als Birgit zufällig herausfindet, dass sie
nicht die einzige deutsche Frau ist, die Nabil hilft, und dass es andere
gibt, die sich kümmern, ist sie tief enttäuscht. Zum einen, weil sie
findet, dass die Frauen sich miteinander hätten absprechen können –
schließlich ist Helfen ein Vollzeitjob.

Und zum anderen, weil sie realisiert, dass Nabil einen Teil seines Lebens vor ihr verbirgt. Dass er vielleicht doch weniger Sohn und mehr Fremder ist? „Ich habe dann
Scherze gemacht, dass er gut darin ist Frauen um den Finger zu wickeln.
Aber ich wollte auch nicht wie eine eifersüchtige ‚Alte’ wirken.“

Immerhin, bei einer der „anderen“ übernachtete er auch und sie ahnt
natürlich, dass in der häufigen Beziehung „deutsche Frau und junger
Flüchtlingsmann“ unterschwellig vieles abläuft. Sie erinnert sich an
eine Szene im Baumarkt, als sie mit Nabil einer Ehrenamtlichen über den
Weg lief. „Sie war klein, eher dick und hatte ihren schicken schwarzen
Flüchtling an der Hand und ich, Ende 50, mit meinem hübschen Iraker an
der Seite... Es war seltsam. In diesen Topf wollte ich nicht geschmissen
werden.“

Also fährt Birgit ihren Elan zurück. Das Gefühl, eine Mutter
für Nabil sein zu können, nimmt ab. Und auch das Bedürfnis, mit anderen
Flüchtlingen, denen sie nach wie vor beim Deutschlernen hilft, eine
familiäre Beziehung haben zu wollen. „Durch die Erfahrung mit Nabil
behalte ich nun meine Privatsphäre für mich. Ich bin nicht mehr so weit
offen, und mein Herz auch nicht. Inzwischen grenze ich mich viel besser
ab. Aber manchmal denke ich schon, dass ich jetzt herzlos bin.“

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