Du hättest dich damals mit meiner Oma und meinem Opa bestens verstanden …

zip, Sonntag, 16.07.2017, 20:12 (vor 2447 Tagen) @ Ashitaka5017 Views

Werter Ashitaka.

Ich erlaube mir einen Blick zurück in die Vergangenheit. So Mitte der 50er Jahre. Da habe ich oft am Vormittag mit meiner Mutter und mit meiner Oma zusammen in der Küche gesessen und mich an der Zubereitung des Mittagessens beteiligt (so weit ich das schon konnte).

Wir haben seinerzeit noch mit Holz, bzw. Briketts geheizt, gekocht und das Badewasser erwärmt. Gas hatten wir nicht, weil die Stadtwerke unseren Vorort nicht versorgten. Oma und Opa haben sich routinemäßig um das Holz, die Glut, das Feuer und um die Entsorgung der Asche gekümmert. Es war immer schön warm, das Essen stand pünktlich auf dem Tisch und alle waren glücklich und zufrieden.

Irgendwann kam meine Mutter vom Einkaufen zurück und war völlig aus dem Häuschen. Sie war zufällig in eine Veranstaltung geraten, die im seinerzeit ganz frisch eröffneten "Kaufhof" Kaufhaus in der benachbarten Kleinstadt stattgefunden hatte.

Dort wurde gezeigt, wie man mit Strom kochen kann, das Wasser erwärmt und wie man damit heizt. Sie hatte einige Kataloge dabei und hat ihrer Mutter (meiner Oma) alles ganz begeistert erklärt. Ich saß dabei und hörte zu.

Omas Gesicht wirkte seltsam versteinert. Opa schaute kurz herein und ist nach wenigen Minuten lautlos wieder gegangen. Ich fand die Sachen in den Prospekten ganz toll. Oma sagte nur: "Das ist doch alles viel zu teuer!" Und: "Damit dauert es doch ewig, bis das Wasser kocht!" Und: "Viel zu viel dran, was man nicht selber reparieren kann!" Und: "Ist viel zu gefährlich, man kriegt einen tödlichen Schlag und die Kabel fangen in der Wand an zu brennen!"

Diese Diskussion ging hin und her, über viele Monate. Irgendwann haben die Gas- und Stromwerke fusioniert und die Stadtwerke versprachen eine Prämie, wenn man mit Strom kocht, sein Wasser erwärmt und mit Nachtstrom heizt. Mit Ausnahme der Heizung (die wurde auf Öl umgerüstet) hat mein Vater dann alles auf Strom umgestellt. Das Holzlager im Keller wich dem Öltank. Es gab 2 Bäder im Haus und Durchlauferhitzer, aus denen sofort das heisse Wasser kam. Und einen Elektroherd.

Opa musste kein Holz mehr sammeln und hacken und keine Asche mehr entsorgen. Oma hat Monate gebraucht, um mit dem Herd zurecht zu kommen. Die alten Platten brauchten lange, um richtig heiss zu werden. Es war für sie schwierig, sich an die Regelung der Hitze zu gewöhnen. Meine Mutter hatte sich innerhalb einer Woche an alles gewöhnt und keine Probleme. Später kam ein Kochfeld mit Ceran. Und ein Ofen mit Umluft und individuellen Garzonen. Schon sehr früh erfolgte der Umstieg auf das Induktionskochfeld. Den haben Oma und Opa zwar nicht mehr erlebt. Aber sie hätten ihre Freude damit gehabt und sich gegenseitig damit aufgezogen, wie sehr sie doch damals dagegen argumentiert hatten, auf "Strom" umzusteigen.

Das Thema "Kochen mit Strom" war über eine lange Zeit während der Nachkriegsjahre das beherrschende Thema auf dem Wochenmarkt, beim Kaffeekränzchen und stundenlangen Telefonaten. Es gab darüber Streit und es wurden sogar aus Freunden Feinde.

So wie es heute das Thema "Fahren mit Strom" ist. Der Streit darüber erinnert mich an die Situation seinerzeit bei mir zuhause.

Es ist eine reine Umstellungssache. Mehr nicht. Wir werden in einigen Jahren zurück blicken und uns an die Stirn tippen. Wir werden den Geruch von Dieselöl nicht mehr schön finden. Wir werden einem knatternden Verbrenner mitleidige Blicke hinterher senden. Und wir werden einen Zeitungsausschnitt wie diesen hier heraus kramen und uns fragen, wie töricht wir eins waren:

https://shift.newco.co/this-is-how-big-oil-will-die-38b843bd4fe0

In diesem Sinne wünsche ich dir einen sanften Übergang in die Zukunft, werter Ashitaka.

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