Vergleich Adagios Hammerklavier und Opus 111

neptun, Samstag, 08.07.2017, 23:15 (vor 2483 Tagen) @ Monterone6795 Views

Lieber Monterone,

danke für Deine fleißigen Rückmeldungen, Ergänzungen und Erweiterungen.

Dein Erstaunen über meine Erwähnung der Opus 111 wird nicht mehr so groß sein, wenn ich Dir sage, daß ich selbst auf recht hohem Niveau Klavier spiele, und daß dieses Werk zu den absoluten Favoriten meines Repertoires zählt.

Mich hingegen erstaunt immer wieder die breite Allgemeinbildung einiger (weniger) Menschen (z.B. Deine), die in vielen Dingen ein so umfangreiches und tiefgehendes Wissen haben, daß es sich wegen seiner Vielfalt kaum damit erklären läßt, daß sie jeweils "vom Fach" sind. Meine Hochachtung, davon bin ich weit entfernt.


Das mit dem Abschied bei der Arietta aus Opus 111 kann ich teilen, wenn auch nicht auf ein physisches Lebensende beschränkt und/oder fixiert.

Anders als Du sehe ich allerdings zwischen beiden hochqualitativen Adagios einen tiefen inhaltlichen Unterschied:

Während das aus der Hammerklavier-Sonate ein einziges riesengroßes Lamento ist über das diesseitige Leiden (von Beethoven genial in Musik umgesetzt), wenn auch mit großer, aber stets unerfüllt bleibender Sehnsucht nach "Erlösung" durchwirkt, gibt das Adagio aus Opus 111 einen klaren Einblick in die himmlischen Sphären, wonach der anschließend wieder auf die Erde zurückgeführte Mensch genauer weiß, wonach er sich sehnt. Deshalb gibt es auch danach nichts mehr zu sagen, und so mußte die Sonate zweisätzig bleiben. Sehr aufschlußreich hierbei finde ich auch den Umstand, daß mit diesem zweiten Satz das gesamte Klaviersonaten-Schaffen Beethovens (immerhin 32 Sonaten) endet. So oft er am Ende vieler seiner Werke als "Sieger" hervorgegangen ist, tut er es hier auch, aber diesmal auf eine ganz andere Art: Tiefer, stiller, wissender.

Wie frustrierend unerfüllt die Sehnsucht in der Hammerklavier-Sonate bleibt, kann man auch daran erkennen, daß Beethoven sich ausgiebig in dem anschließenden vierten Satz "austobt", einer "nur" dreistimmigen Fuge, welche auch heute noch mit ihren gesamten Anforderungen sogar für viele Profis nicht bzw. nur unzureichend zu bewältigen ist. Danach befinden wir uns ganz klar noch auf dieser Erde mit all ihrem Elend, welches wir nicht in der Lage sind, wegzudiskutieren oder uns schönzureden.

Die große innere Stille nach der Arietta aus Opus 111 läßt uns etwas davon spüren, daß unser Herz einen Anker im Jenseits gesetzt hat.

Du siehst, daß für mich da ein großer Unterschied existiert. Das ist aber selbstverständlich nur meine ganz persönliche Auffassung.

LG neptun

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