"Möglicherweise war ihm die Zukunft dieses Forums wichtiger als das Innehalten, das Gedenken..."

kieselflink, Mittwoch, 05.07.2017, 16:33 (vor 2458 Tagen) @ StS3097 Views

Ja, Stefan, ich glaube, Deine Vermutung trifft zu.

Entgegen dem Trend zur Selbstdarstellung hat Jürgen den Fokus nicht auf die eigene Präsenz gesetzt, nur insoweit, als dass es für den Erhalt der durch ihn initiierten Gemeinschaft notwendig war.

Selbst sein Outing vor 4,5 Jahren war dem geschuldet.

Jürgen führt uns hier buchstäblich vor Augen, was uns als Gesellschaft weitgehend verloren gegangen ist: Das Du.

Gebende Hände bleiben nicht einfach leer.
Aber wer festhält, wird früher oder später alles verlieren.

Alle, die Jürgen auf die eine oder andere Art unterstützt haben, taten dies nicht aus Zwang, sondern aus Bedürfnis.

Das mag in einer Welt widersinnig klingen, die sich mehr und mehr ökonomischen Zwängen unterwirft, dabei den Preis über den Wert erhebt und meint, mit dem Mammon Geld könne alles gemessen und dem Mammon Schuld(en) alles geregelt und erzwungen werden - debistischen Zwängen folgend.


Doch welchen Preis haben
- Vertrauen
- Liebe
- Hoffnung und Zweifel
- Zuhören
- Geduld
- Wahrheit
- innerer Frieden
- das eigene Leben
- das Leben des Anderen?

Woher bekommt man dies? Wo könnte man dies erwerben? Gar für Geld?


Wer wie Jürgen selbst im Blick auf das eigene Ende kein großes Aufheben macht, ja uns sogar davon ablenkt, hat verstanden, was den Wert des Lebens ausmacht.

Ich hoffe und wünsche von Herzen, dass dieses Beispiel, das er uns gegeben hat, nicht vom Wind der Zeit verweht wird, sondern Schule macht, zum Nachdenken und zum Nachmachen anregt.

Nur so werden einige - wenn auch nicht aus, so doch zumindest durch die Hölle kommen, die wir (im Sinne der Spezies Mensch) dabei sind, uns im Hier und Jetzt zu bereiten.


Wenn gestandene, robuste Männer bekennen, dass sie weinen und ihnen die Tränen über die Wangen rinnen, obwohl sie den gegangenen Menschen wenn überhaupt, dann nur aus der Ferne kannten, dann weil sie spüren, dass da jemand nicht mehr ist, der nicht zuerst sich selbst geliebt hat, sondern jene, die ihm anvertraut waren - wahr, aufrichtig und nicht zuvorderst zum Selbstzweck.

Der allgemeine Mangel an Liebe und an Wahrheit sind für mich eine Erklärung für die überwältigende Resonanz, welche Jürgens Weggang aus dieser Welt ausgelöst hat.

Möge beides allen Foristen hier erhalten bleiben und über das Forum hinaus wirken. So - und wohl nur so bewahren wir Jürgens Vermächtnis.

Dem neuen Chef wünsche ich dafür Weisheit und das rechte Maß an Liebe und Wahrheit - ganz im Sinne von Jürgen!


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Einen passenden Liedtext habe ich gefunden, den ich hier als Illustration zitiere:

Wahrheit, die nur weh tut, ist nicht wahr genug.
Wahrheit ohne Liebe übt Betrug.
Wahrheit, die nur aufdeckt, kommt aus hartem Herz.
Nur um Recht zu haben, fügt sie Schmerz.
Helfen kann uns allen Wahrheit, die auch liebt,
die in harte Herzen Milde gibt.

Liebe, die nicht wahr ist, reicht nicht tief genug.
Liebe ohne Wahrheit übt Betrug.
Liebe, die nur zudeckt, kommt aus halben Herz.
Um sich selbst zu schonen, scheut sie Schmerz.
Helfen kann uns allen Liebe, die nicht schont,
wenn in halben Herzen Lüge wohnt.
Helfen kann der Eine, der uns nie betrügt,
der in harte Wahrheit Liebe fügt.


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