Weinbauern und Klimawandel - Meteorologe stellt erstaunt fest, daß es an Forschung mangelt - Frostschutzmaßnahmen im Weinbau

Literaturhinweis, Samstag, 29.04.2017, 14:52 (vor 2554 Tagen) @ 3917 Views

Da schreibt die FAZ: "Spätfröste - Mit Feuer und Eis" es sei u.a. der Kimawandel, der "vermehrt" Bauern in den Wahnsinn treibe, weil ihnen die Reben durch Fröste nach dem Austreiben einfrören.

Dann liest man wieder, daß die Bauern aber heute ein frühes Austreiben herbeimanipulierten, und diese zu früh ausgetriebenen Pflanzen eben dann besonders anfällig seien. Hauptsache Klimawandel ...

Das Problem ist aber nicht neu, ich erinnere mich an ein Deutschbuch vor Jahrzehnten, in dem eine Geschichte, die wir dann prompt besprechen mußten, schilderte, wie die Bauern nachts im Weinstock begannen, die Pflanzen gegen Frost zu beregnen. Daß in den Jahrhunderten davor und in den Jahrzehnten danach lieber am Weltraumflug geforscht wurde, als dieses drängende Agrarproblem zu lösen, ist natürlich typisch für die Art, welche Forschungsthemen Mode werden.

Diese Beregnung ist ein durchaus wirksamer Frostschutz, da Wasser aufgrund seiner extremen spezifischen Wärme der Umgebung beim Gefrieren solange bei exakt NULL Grad Wärme zuführt, bis es durchgefroren ist. Spritzt man also alle empfindlichen Pflanzenteile solange kontinuierlich mit Wasser an, daß sie stets mit flüssigem Wasser benetzt sind, können deren Temperaturen nie unter Null Grad sinken. Da das Zell-Innenleben aber nicht nur Wasser, sondern auch gelöste Salze und Zucker enthält, bewirkt deren Konzentration, daß das Zellwasser wegen der Gefrierpunkterniedrigung nicht schon bei Null Grad Celsius, sondern deutlich darunter erst gefriert.

Das Gefrieren ist dabei i.W. überhaupt deshalb für die Pflanze gefährlich, weil sich dann in den Zellen spitze Kristalle bilden können, die die Zellwand perforieren und so den Zellaufbau zerstören, wie auch, weil durch die Anomalie des Wassers das Eis sich gegenüber dem flüssigen Wasser um ca. 10% ausdehnt; auch das kann zum Platzen von Zellstrukturen führen. Deshalb hat ja die Titanic den Eisberg unter Wasser gerammt, weil er nur zu ca. 10% über Wasser aufragt, unten daher i.d.R. wesentlich dicker und breiter ist.

Die erstaunlichste Aussage in diesem Artikel aber ist, daß es bis jetzt kaum systematische Forschungen zur Frostvermeidung gegeben zu haben scheint - obwohl das Problem Weinbauern seit Jahrtausenden bedroht und es sich um eine Milliardenindustrie handelt.

Die dort beschriebenen Verfahren ("Einiges können sie sich sparen.") halte ich aber für wesentlich verbesserungsbedürftig:

a) Die erwähnte Beregnung ist nicht nur extrem teuer ("... pro Stunde und Hektar etwa dreißig Kubikmeter."), es werden auch nur (grobe) Wassertropfen verwendet. Diese aber:

- fallen (zu) rasch zu Boden und

- benetzen die Pflanzenteile i.W. nur von oben. Zudem

- sind über zehn Stunden 300 Kubikmeter/Hektar (solange wird man wohl beregnen müssen) nicht nur teuer (cbm selbst mit Rabatt zwischen einem und zwei Euro!), sondern diese Niederschlagsmengen führen auch zu Bodenveränderungen. 300 cbm/10 Stunden sind 300.000 Liter. Ein Hektar hat 10.000 qm - das sind 30 Liter/qm. Bei ca. drei Tagen Frost wären das ca. 100 Liter/qm, entsprechend ca. 100 mm Niederschlags-Äquivalent - das sind schon recht heftige Wassermengen gemessen an den üblichen deutschen Niederschlagswerten. Das ist ggf. -je nach Region- ein Mehrfaches eines üblichen Monatsmittels!

Nicht nur führt dies dem Boden Salze zu, die Regen nicht zuführen würde (Regen ist "demineralisiertes" bzw. "destilliertes" Wasser), es schwemmt u.U. auch Nährstoffe aus dem Boden aus, die bei normaler (geringerer) Beregnung unangetastet geblieben wären.

Eine bessere -und wesentlich sparsamere- Variante wäre die "Benebelung", wie man sie in manchen Supermärkten mittlerweile an Gemüsetheken findet. Da -anders als im wohltemperierten Supermarkt- die Wassertröpfchen sich einerseits wie Nebel in Bodennähe verteilen würden, was einen Rückstrahlungs- und Auskühlungsschutz des Bodens bewirkte (auch dies wird ja schon gemacht, aber i.W. mit Rauch), da Wasserdampf aufsteigt, würde die gesamte Pflanze von unten wie von oben mit gefrierendem Wasser eingehüllt.

b) Daneben werden -unter den wirksamen Verfahren- noch (elektrische) Heizanlagen beschrieben: "... wer seine Reben mit elektrischen Heizdrähten schützen will, muss mit rund 12 000 Euro pro Hektar rechnen."

Auch das ein m.E. unnötiges Unterfangen. Da unterhalb der Frostgrenze ab ca. 80cm Bodentiefe die Temperatur des Erdbodens auch im tiefsten Winter nicht unter Null Grad absinkt, und schon in wenigen Metern Tiefe 10-12 Grad beträgt (stabil im gesamten Jahr in ca. 20 m Tiefe), würde ein Wärmetauscherkreislauf, der statt teurer Heizenergie lediglich eine oder mehrere Umwälzpumpen und ein klug verlegtes Rohrnetz direkt neben den Rebwurzeln in ca. 50 cm Tiefe sowie einen Wärmetauscher-Vorlauf in z.B. 3-5 m Tiefe umfaßte (wobei dieser Wärmegewinnungs-Tauscher auch zentral an einer oder wenigen Stellen zusammengefaßt sein könnte und nicht parallel zu den ganzen Rebenreihen verlaufen müßte), m.E. denselben Anforderung zu geringeren Betriebs- und vermutlich auch zu bereits wesentlich geringeren Verlegekosten genügen. Aus dem Bauch heraus würde ich schätzen, daß sich eine solche Anlage schon im ersten Frostwinter amortisieren dürfte. Vgl. auch Thema Wärmepunpe.

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