Vereinigtes Königreich – Frankreich

Ostfriese, Freitag, 28.04.2017, 14:04 (vor 2552 Tagen) @ Leserzuschrift7373 Views

Hallo Michael,

ergänzend möchte ich den Satz:

„Aber sie [die Schlacht bei Waterloo] war nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen zwei Heeren, sondern auch ein Wettstreit zwischen konkurrierenden Finanzsystemen: dem französischen, zu dessen Grundlage unter Napoleon die Plünderung (der eroberten Länder) geworden war, und dem englischen, das auf Schulden beruhte.“

von Niall Ferguson zitieren und etwas zu den unterschiedlichen Kulturen – der damaligen britischen und französischen Staatsfinanzierung – sagen.

Die Vereinigten Provinzen der Niederlande finanzierten ihren Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien durch die Entwicklung neuer Anlageprodukte und Wertpapiere, die am Markt in Amsterdam gehandelt und die vor allem von Rentiers gekauft wurden. Nach 1688 gelangten diese Neuerungen nach London. Das britische Steuersystem unterschied sich schon wesentlich von dem der kontinental-europäischen Monarchien. Die Ausgaben der Krone standen unter der Kontrolle des Parlaments, weil die königlichen Ländereien weitgehend verkauft waren. Es bildete sich ein professioneller Staatsdienst mit bezahlten Beamten. Die Gründung der 'Consolidated Fund' – daher 'consols' für die neuen standartisierten britischen Staatsanleihen – half Staatsbankrotte – wie den 'Stop the Exchequer' von 1672 – zu vermeiden. Das Parlament versuchte durch die Einführung des Goldstandards im Jahre 1717 eine zukünftige Wertminderung des Münzgeldes zu verhindern. In London existierte ein Rentenmarkt, auf dem vor allem die liquiden und damit leicht verkäuflichen consols gehandelt wurden – auch für Ausländer.

Dagegen gab es in Frankreich regelmäßig wiederkehrende Zahlungseinstellungen – Repudiationen der Staatsschulden. Zur Erlangung von Staatseinnahmen wurden Ämter verkauft. Die Staatshaushalte waren vorwiegend undurchschaubar. Die Generalstände – eine 1302 eingerichtete Versammlung der drei Stände Klerus, Adel und Dritter Stand – tagten sehr unregelmäßig. Da in Paris kein professioneller Rentenmarkt etabliert war, wurde Geld für den Staat mittels großzügiger Bedingungen durch rentes und tontines mühselig besorgt. Die niederschmetternde Aussage: "La dette de l'Etat, dejà immense à mon avénement au trône, s'est encore accrue sous mon règne... ." von Jacques Necker führte dann geradewegs zur Französischen Revolution – alles im alten Elliot-Wellen-Forum ausführlich dargelegt.

Napoleons 'Armée d’Italie' finanzierte sich durch Raub und Ausbeutung der eroberten Gebiete und „sorgte […] dafür, dass Geld in die leeren Kassen der Regierung kam.“ M.W. sind geraubte Kunstwerke heute noch in französischen Museen zu bewundern – geraubte Edelmetalle gingen wohl sofort in die Kriegsfinanzierung. Dagegen wurde der Krieg auf der Seite der Krone durch Anleihen finanziert – er war ein Anlageprodukt wie heute der „War on Terror“.

Die Krone siegte, weil Rothschild sich einmischte – die Südstaaten verloren im amerikanischen Bürgerkrieg, weil Rothschild sich nicht einmischte. Niall Ferguson formuliert in den Sätzen:

„Sie [die Rothschild] hatten den Ausgang der Napoleonischen Kriege entschieden, indem sie ihr finanzielles Gewicht auf Seiten Großbritanniens in die Waagschale geworfen hatten. Jetzt würden sie mit über den Ausgang des amerikanischen Sezessionskrieges entscheiden – indem sie sich heraushielten.“

Die Situation des amerikanischen Sezessionskrieges ist aber ein anders – sehr interessantes – Thema.

Ist der 'Krieg' nicht zwangsläufig eine Erweiterung der Haftungsräume im Falle der Überschuldung? Kriege werden an den Börsen und an den Rentenmärkten gehandelt und auch dort entschieden – und nicht nur Kriege. Bertolt Brecht hat die Gegebenheit in literarische Texte gefasst und die Debitisten haben mit der Machttheorie die theoretische Grundlage gelegt. Die kenntnisreichen Debitisten können das aber viel besser erläutern und formulieren als ich – sie sind aber leider fast alle dem intellektuellen Schlachtfeld des Gelben entflohen und haben sich 'aus dem Staube gemacht' – wie früher die Soldaten, die um ihr Leben fürchteten und sich deshalb unbemerkt vom Schlachtfeld, auf dem das Schlachtgetümmel viel Staub aufwirbelte, verdrückten.

Carpe diem und Gruß â€“ Ostfriese


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