Die Erläuterung dazu von Seiten der Zeugen Jehovas - schon früher gab es ein ähnliches Urteil, das der Europ. MRGH aufhob

Literaturhinweis, Donnerstag, 20.04.2017, 20:28 (vor 2563 Tagen) @ sensortimecom9380 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 20.04.2017, 20:39

Der Oberste Gerichtshof in Moskau hat nach einem zweiwöchigen Prozess beschlossen, die Glaubensgemeinschaft der ZJ in Russland zu verbieten und aufzulösen.

Nach diesem Bericht der Zeugen Jehovas haben die Zeugen Jehovas in Rußland derzeit (noch) 395 Zentren (vermutlich "Königreichsäle") und hatte die russische Regierung in einem vorherigen Verfahren bereits acht lokale ZJ-Gemeinschaften verbieten lassen, u.a. mit der Behauptung, diese seien nicht genügend von der Zentrale beaufsichtigt.

Nunmehr, im Prozeß gegen die Zentrale, argumentiere die russische Regierung genau umgekehrt - die Zentrale habe sie zu sehr an der Kandare. Auch wenn ich es nur überflogen habe - manches erinnert an das Verfahren gegen Chodorkowsky. Egal, was man ihm vorhalten können mag - rechtsstaatlich verurteilt wurde auch er nicht. Rußland hat derzeit ein Gewaltentrennungs-Manko.

Wie auch nach dem deutschen Vereinsgesetz hat das russische Gericht nicht nur die Auflösung der Körperschaft der Zeugen Jehovas verfügt, sondern auch, daß deren Vermögen zugunsten des Staates eingezogen wird. Das erinnert nicht nur an die "Säkularisierung", mit der sich die Staaten der "Aufklärung" grandios gesundgestoßen haben, es hat auch viel mit der Übermacht der russisch-orthodoxen Kirche zu tun, ähnlich wie in Griechenland, wo die dortige griechisch-orthodoxe Kirche die ersten Jahresversammlungen der Zeugen Jehovas mit Blockaden durch die "Popen", z.T. sogar mit Bewaffnung, zu verhindern versuchte.

Russische Einschüchterungsversuche gegen Zeugen Jehovas, darunter auch körperliche Angriffe und Brandstiftungen, verfolgt die OECD z.B. schon bis in die 1990er Jahre zurück. Siehe auch http://www2.stetson.edu/~psteeves/relnews/00currentchoices.shtml

Es gibt, ähnlich wie bei Scientology, sehr viele Aussteigerbiographien, die über unangenehme Zeiten während der Mitgliedschaft und auch über den bei vielen Sekten üblichen vollkommenen Kontaktabbruch nach Austritt berichten:

- Ausstieg ins Leben: Wie ich aufhörte, ein Zeuge Jehovas zu sein

- Goodbye, Jehova!: Wie ich die bekannteste Sekte der Welt verließ

- Das eiskalte Paradies: Ein Mädchen bei den Zeugen Jehovas

- Die Zeugen Jehovas. Auch ich habe ihnen geglaubt. Sanfter Einstieg, harter Ausstieg. Ein Lebensbericht

- Aus erster Hand - ehemalige Zeugen Jehovas und Mitbetroffene berichten

- und mehr Bücher zu Zeugen Jehovas hier.

Dieser schon vor ewigen Zeiten ausgestiegene ehem. "Bibelforscher", wie sie früher hießen, berichtet, wie die Bewegung nach dem Ersten Weltkrieg sich rasant ausbreitete und, seinem Gefühl nach, zur stärksten Religionsgemeinschaft hätte werden können, wenn Adolf Hitler sie nicht -oft noch vor den Juden- ins Konzentrationslager gesteckt hätte (s.u.). Damals hatten die "Prediger" noch die Aufgabe, ihre Bücher und Traktate möglichst gegen Geld zu verkaufen, diese Strategie verfolgt die neue Leitung aber schon lange nicht mehr.

Andererseits muß man aber schon eine gewaltige Trennungslinie zwischen Zeugen Jehovas und anderen straff geführten Groß-Sekten machen, deren Mitglieder sich zwar ungern ins Privatleben schauen lassen, und die stramm durch sog. "Älteste" geführt werden und oft ihre Kinder "züchtigen" bzw. ihnen, z.T. eben unter Strafen, langes Stillsitzen bei Veranstaltungen verordnen, keine Geburtstage feiern und kein Weihnachtsfest, jedoch, im religioswissenschaftlichen Vergleich sind sie recht harmlos - noch in den fünfziger und sechziger Jahren konnten z.B. gemischtreligiöse, z.B. protestantisch-katholische Ehen in Deutschland ähnliche "Höllen" sein, was kirchliche "geistliche" Einmischung in Privatangelegenheiten betraf. Und immer schön die Hände über der Bettdecke, gelle!

Scientologie dagegen hat eindeutige Anleihen bei Gehirnwäsche-Techniken gemacht, vgl. z.B. CIAs KUBARK-Handbuch.

Und anders als die Scientology streben sie schon gar keinen weltlichen Einfluß an, weder im Staatswesen noch in Unternehmen/Wirtschaft.

Einen Grund für eine so drastische Maßnahme wie in Rußland sehe ich also nicht nur nicht, es wird im Gegenteil wieder in einer peinlichen Schlappe Rußlands vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof enden, wie schon einmal 2009/2010. Diskriminierung und Verfolgung der Zeugen Jehovas gibt es aber auch anderswo.

Die Zeugen Jehovas beeindrucken vor allem durch einen konsequenten Pazifismus, d.h. sie lehnen jede Form von Wehrdienst ab und nehmen dafür, je nach Land, langjährige Gefängnisstrafen oder Flucht ins Ausland auf sich.

Ihr passiver Widerstand im Dritten Reich ist legendär zu nennen, vgl.

- Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen Jehovas

- Ich hatte eine gerade Linie, der ich folgte: Die Geschichte von Rita Glasner, einem Bibelforscherkind im "Dritten Reich"

- Deine Tränen sind auch meine ...: Briefe aus der Todeszelle von Adolf Zanker

- Vergiss Jehova: Als SS-Sträfling auf Gut Pabenschwandt / Salzburg

Zur Geschichte der Zeugen Jehovas allgemein:

- So wurden aus Bibelforschern die Zeugen Jehovas: Untersuchungen zur Geschichte der Wachtturm-, Bibel- und Traktatgesellschaft

- (kritisch) Der schiefe Turm von Brooklyn: Über Leben und Lehre der Zeugen Jehovas

und

- Jehovas Zeugen in Europa - Geschichte und Gegenwart: Band 2: Baltikum, Dänemark/Norwegen, Finnland, Großbritannien/Irland, GUS/Georgien, Kasachstan, Rumänien/AUR, Schweden, Ukraine/UdSSR

- Jehovas Zeugen in Europa - Geschichte und Gegenwart: Band 1. Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal und Spanien

- Repression und Selbstbehauptung.: Die Zeugen Jehovas unter der NS- und der SED-Diktatur

Übrigens: die von Fritz Springmeier behauptete Nähe des Gründers der Bibelforscher zu den Freimaurern aufgrund dessen, daß er eine Pyramide auf seinem Grab stehen habe, ist -was das betrifft- ein Unsinn: es handelt sich um eine Nachbildung der Grabstätte in Machpela der Erzväter Abraham, Isaak, Jakob und ihrer Frauen Sara, Rebekka und Lea, ebenso wie das beim Israelischen Obersten Gericht der Fall ist. Auch bei anderen Pyramiden sollte man den Zusammenhang hinterfragen ...

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