Kirchhof-Gutachten von technischer Entwicklung überholt

Leserzuschrift, Donnerstag, 02.02.2017, 16:46 (vor 2637 Tagen) @ D-Marker5004 Views

Das Gutachten von Prof. Kirchhof bildet bekanntlich die rechtliche Grundlage für diesen "Rundfunkstaatsvertrag" und den darin enthaltenen Konsumzwang für alle Haushalte und Betriebe. Ursache für die aktuellen Inhaftierungen von Zahlungsverweigerern bildet dabei die darin empfohlene "Typisierung", also die Ausdehnung der Beitragspflicht auf die gesamte Bevölkerung, unabhängig davon, ob das Angebot tatsächlich genutzt wird. Er begründet dies damit, dass "nahezu jeder Mensch in Deutschland das Rundfunk- und Fernsehprogramm nutzt", dabei aber "unkontrolliert das Angebot von Rundfunkprogrammen entgegennehmen" (Absatz D. I. 1.). "Die Erhebung der Rundfunkabgabe leidet an schweren Erhebungsdefiziten. Die Bemühungen der GEZ und die Forderung der KEF 36, die Legalitäts- und Aufkommensverluste durch zusätzliche Kontrollen aufzufangen, gefährdet eher die innere Akzeptanz der Abgabe, als dass sie die Legalität verlässlich wieder herstellte." (Absatz II. 3.). Er reitet immer wieder auf der dem Rundfunk eigenen Besonderheit herum, dass die Rundfunkanstalten die Nutzung des Angebots nicht ausreichend kontrollieren können ("Vollzugsdefizit").

All diese Aussagen bezogen sich auf die Verhältnisse vor April 2010 (Datum des Gutachtens). Damals wurden fast alle Fernsehkanäle des GEZ-Konzerns noch in Analogtechnik ausgestrahlt. Hier blieb in der Tat als "Kampf gegen Vollzugsdefizit" nur die Kontrolle durch Hausbesuche, denn die Alternative, die Nutzung durch technische Massnahmen zu kontrollieren, war technisch und wirtschaftlich sende- und empfangsseitig unzumutbar.

Heute jedoch treffen die Aussagen des Gutachtens nur noch auf den Hörrundfunk zu (und auch nur noch, bis der UKW-FM Hörrundfunk abgeschaltet wird). Im Fernsehbereich haben wir nun völlig andere Verhältnisse: die Ausstrahlung in Analogtechnik wurde eingestellt, alle Kanäle werden nur noch digital ausgestrahlt (DVB). Damit existiert jetzt mit der in DVB eingebauten Verschlüsselungsoption erstmalig eine technisch und wirtschaftlich zumutbare Möglichkeit für die Sendeanstalten, die Nutzung des Angebotes überall, vor allem in nicht zugänglichen Räumen, zu kontrollieren, was die Privatsender ja auch längst nutzen. Die Kernaussage von Kirchhof, Nutzung nicht 100%ig kontrollierbar, aber fast jeder nutzt es, deshalb Typisierung mit der Konsequenz Zwangsmaßnahmen bis zu den aktuellen Verhaftungen erlaubt, trifft im Fernsehbereich nicht mehr zu. Das Vollzugsdefizit lässt sich nun ohne externes Kontrollpersonal allein durch technische Maßnahmen (Verschlüsselung) komplett beseitigen.

Das Gutachten geht also aus heutiger Sicht von falschen, längst überholten Annahmen aus, die sich natürlich auch im Rundfunkstaatsvertrag widerspiegeln und zu Recht Widerstand im "typisierten" Teil der Bevölkerung hervorrufen. Denn angesichts der nun vorhandenen technischen Möglichkeiten verhalten sich die Sendeanstalten aktuell wie ein Künstler, der seine Werke statt in eine Galerie mit Eintritt zur Nutzungserzwingung an die Straße stellt und von jedem zufällig vorbeikommenden Passanten einen Zwangsnutzungsbeitrag verlangt, denn dieser hätte sich ja an den Kunstwerken erfreuen können.

Im Web finde ich bis jetzt leider keinen Fall, dass von den in die Prozesse involvierten Juristen einer dieses von der Lebenswirklichkeit überholte Gutachten zerfleddert. Aus Technikersicht ignorieren die Rundfunkanstalten bewusst die jetzt vorhandenen technischen Möglichkeiten zum Schutz ihres Angebots vor Schwarzempfang. Nicht Gerechtigkeit, sondern kein Wettbewerb am Hals und maximale Einnahmen sind das alleinige Ziel dieses Zahlungszwangs für das ganze Volk.

Rein persönliche Meinung von Wolfi (kein Jurist).


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